Cyber-Expertin: "Wir verkaufen unsere Privatsphäre"

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Symbolbild(c) REUTERS (PAWEL KOPCZYNSKI)
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Die US-Cyber-Expertin Melissa Hathaway spricht in Alpbach mit der "Presse" über die Konsequenzen aus der NSA-Affäre und die Gefahren des Internets für die ganze Gesellschaft.

Die Presse: Haben Sie nach den Aufdeckungen über die Zugriffe des US-Geheimdienstes NSA auf private Daten Ihr Verhalten im Internet verändert?

Melissa Hathaway: Nein, das habe ich nicht. Aber ich verwende kein Facebook.

Warum eigentlich nicht?

Facebook und Google sammeln automatisch persönliche Daten von jedem Nutzer. Jeder gibt seine Privatsphäre auf, der dieses Service nutzt. Ich habe deshalb auch versucht, meine Anfragen in Google einzuschränken. Uns allen muss bewusst sein, dass wir mit der Nutzung dieser Gratis-Services unsere Privatsphäre verkaufen.

Verstehen Sie die Aufregung, die durch das Datensammeln der NSA in Europa entstanden ist?

Es gibt ein Spannungsfeld zwischen Vertrauen und Transparenz. Edward Snowden und Bradley Manning, die diese Aktivitäten aufgedeckt haben, haben jedoch amerikanisches Recht gebrochen. Und jedem muss klar sein: Der Bruch von Gesetzen birgt auch Konsequenzen.

Aber die beiden haben auch Transparenz in die Aktivitäten des Geheimdienstes gebracht.

Transparenz ist notwendig. Die USA haben den Foreign Intelligence Surveillance Act (der die Auslandsaufklärung und Spionage regelt, Anm.) schon vor vielen Jahren beschlossen, aber die Bedeutung dieses Gesetzes wurde in der breiten Öffentlichkeit vergessen. Viele Länder wollen ihre Daten deshalb nicht in den USA speichern. Heute müssen wir uns fragen, ob es ausreichend Checks and Balances bei der Umsetzung dieser Aktivitäten gibt.

Ist der Kampf staatlicher Institutionen für mehr Sicherheit im Internet nach der NSA-Affäre Ihrer Meinung nach in Misskredit geraten?

Nein, das denke ich nicht. Es geht ja jedem Staat um andere Fragen. Einmal geht es um politische Aktivisten, das andere Mal um organisierte Kriminalität oder um Spionage. Die Aufdeckungen haben eher die Sensibilität erhöht, dass die Cyber-Sicherheit gestärkt werden muss und dass es dringend Lösungen für den Datenschutz geben muss – und zwar auf internationaler Ebene.

Wie können Staaten aber Aktivitäten im Internet kontrollieren, ohne auf Daten – auch persönliche Daten – zuzugreifen?

Ich glaube, es ist letztlich nicht möglich, das Internet zu kontrollieren. Die Provider haben hier den Zugang zu Daten. Wenn Staaten Einfluss nehmen wollen, müssen sie über gesetzliche Regulierungen eingreifen.

Sie beschäftigen sich seit Jahren mit den Gefahren, die vom Internet ausgehen. Welche Gefahren gibt es für die Gesellschaft?

Das Problem für die Gesellschaft ist, dass jeder Einzelne die Kosten der Internetkriminalität großteils selbst tragen muss. Die Kreditkartenfirmen beispielsweise geben die Kosten für Betrug im Internet meist an die Kunden weiter. Die Banken wiederum wälzen einen Teil der Haftung im Fall von illegalen Zugriffen auf Konten auf ihre Kunden ab.

Der Konsument ist also das schwächste Glied?

Ja, ich denke, dass die Konsumenten deshalb auch mehr Schutz benötigen.

Der russische Cyber-Experte Vladislav Shertyuk hat beim Forum Alpbach davor gewarnt, dass das Internet zum Kriegsschauplatz werden könnte. Sehen Sie auch diese Gefahr?

Ich glaube nicht, dass ein Krieg allein im Internet stattfinden wird. Cyber-War könnte aber ein Teil eines Kriegs werden.

Die größten Gefahren gibt es hier für Infrastrukturen, für Energie und für Telekommunikation. Als im Jahr 2012 an der amerikanischen Ostküste der Hurrikan Sandy gewütet hat, war ein Teil meiner Familie in New Jersey mehr als einen Monat lang völlig ohne Strom. Und es hat noch mehr als zwei Monate gedauert, bis die gesamte Telekommunikation wieder funktioniert hat.

Das hat gezeigt, welche Auswirkungen das auf jeden, aber auch auf Unternehmen haben kann. Wer die Netze für Energie und Telekommunikation lahmlegt, kann einen unheimlichen Schaden anrichten. Dessen sollten wir uns alle bewusst sein.

Auf einen Blick

Melissa Hathaway ist eine führende US-Cyber-Expertin an der Harvard-Universität. Sie war Mitglied des Homeland Security Councils und Beraterin mehrerer US-Regierungen in Fragen der Cyber-Sicherheit. Hathaway warnt davor, dass Nutzer von Facebook oder Google ihre Privatsphäre verkauften. Sie nahm am diesjährigen Forum Alpbach teil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2013)

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