Merkel leitet Sondierungsgespräche mit der SPD ein

Wer traut sich zum Koalitions-Handshake? Angela Merkel (re.) könnte mit Peer Steinbrück und der SPD (li.) oder mit Jürgen Trittins Grünen (Mitte) zusammenarbeiten.
Wer traut sich zum Koalitions-Handshake? Angela Merkel (re.) könnte mit Peer Steinbrück und der SPD (li.) oder mit Jürgen Trittins Grünen (Mitte) zusammenarbeiten.(c) EPA (CHRISTIAN CHARISIUS)
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Nach dem Feiern beginnt die Partnersuche. Die SPD will noch den Parteikonvent abwarten. Eine große Koalition hat ihr zuletzt kein Glück gebracht.

Am Tag nach ihrem Triumph bei der deutschen Bundestagswahl hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den ersten Schritt für Koalitionsgespräche mit den Sozialdemokraten gesetzt. Merkel teilte am Montag nach Beratungen der CDU-Spitzen in Berlin mit, dass sie mit SPD-Chef Sigmar Gabriel Kontakt wegen der Sondierung einer möglichen Koalition aufgenommen habe.

Gabriel habe sie aber "ausdrücklich gebeten", dass die SPD zunächst am Freitag erst ihren Parteikonvent abhalten wolle. "Das gilt es abzuwarten", sagte Merkel.

"SPD steht nicht Schlange"

Für den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel führt das Ergebnis der Bundestagswahl nicht automatisch zur Bildung einer Großen Koalition mit der CDU/CSU. "Es ist nichts entschieden, es gibt keinen Automatismus", sagte Gabriel am Montag nach einer Sitzung des SPD-Vorstands. Das sei die klare Botschaft des Parteivorstands. Gabriel betonte zugleich, dass er die Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier als SPD-Fraktionschef unterstütze. Ob es Schnittmengen mit der Union gebe, könne die SPD erst nach dem für Freitag angesetzten Parteikonvent sagen.

"Die SPD steht jetzt nicht Schlange oder bewirbt sich, nachdem Frau Merkel ihren jetzigen Koalitionspartner ruiniert hat", sagte Gabriel mit Blick auf die FDP, die im Vergleich zu 2009 fast zehn Prozent verloren hatte und mit 4,8 Prozent erstmals den Einzug in den Bundestag verpasst.

SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück sagte mit Blick auf die Union: "Die SPD drängt sich nicht auf." Es gebe keine Zwangsläufigkeit, zunächst gehe es um die innerparteiliche Willensbildung, sagte er mit Blick auf den Parteikonvent am Freitag. Die SPD müsse sich auch langfristig aufstellen, betonte Steinbrück. Er verwies auf das 100-Tage-Programm der SPD. Daran würden die Angebote von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Große Koalition gemessen.

Die SPD hatte sich bei der Bundestagswahl im Vergleich zu 2009, als sie nur 23 Prozent erzielt hatte, zwar etwas verbessert. Das Ergebnis von 25,7 Prozent vom Sonntag war aber immer noch das zweitschlechteste Resultat der Sozialdemokraten der Nachkriegszeit. Die Union erzielte 41,5 Prozent. Die FDP ist erstmals nicht mehr im Bundestag vertreten. Parteichef Rösler hat heute seinen Rückzug bekannt gegeben. (>>mehr dazu)

Merkels Optionen

Angela Merkel hat mit dem Wahlerfolg von 41,5 Prozent von CDU/CSU nur knapp die absolute Mehrheit im Bundestag verpasst, 311 der 630 Mandate werden von den beiden Schwesterparteien beschickt (>> Der DiePresse.com-Live-Ticker zum Nachlesen). Eine Koalition auf Augenhöhe scheint angesichts des triumphalen CDU-Erfolgs nicht möglich. Das macht vor allem der SPD Kopfzerbrechen, die schon einmal ihre Lektion als Koalitionspartner unter Kanzlerin Merkel gelernt hat.

Mehrheit gesucht

Eine Regierung - sofern es sich nicht um eine Minderheitsregierung handelt - sollte mindestens 316 der 630 Sitze im deutschen Bundestag auf ihrer Seite haben. Theoretisch (und politisch machbar) ergeben sich drei Möglichkeiten für eine Regierung:
CDU/CSU und Grüne: 311 + 63 = 374 Mandate
CDU/CSU und SPD: 311 + 192 = 503 Mandate
SPD und Linke und Grüne: 192 + 64 + 63 = 319 Mandate

>> Leitartikel: Triumph mit bitterem Beigeschmack

Merkel hatte bereits von 2005 bis 2009 eine Große Koalition mit den Sozialdemokraten geführt, an deren Ende aber das historisch schlechteste Wahlergebnis für die SPD stand. Vor diesem Hintergrund gibt es innerhalb der SPD große Skepsis gegen ein neuerliches Regierungsbündnis mit der Union. So sprach sich auch der Vorsitzende der Jungsozialisten, Jascha Vogt, am Montag im ARD gegen diese Option aus. "Ich glaube nicht, dass wir die zentralen Punkte, für die wir angetreten sind, innerhalb einer Großen Koalition umsetzen können."

Keine positiven Signale der Grünen

Die Grünen könnten erstmals seit dem Ende der rot-grünen Regierung von SPD-Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2005 wieder mitregieren. Doch nach dem schwachen Wahlergebnis steht den Grünen der Sinn eher danach, wieder auf die Erfolgsspur zurückzufinden und nicht, eine neue Koalitionsoption auszuprobieren, die sie innerlich vor eine Zerreißprobe stellen würde. Vorstand und Parteirat wollen beim Parteitag im Herbst ihren Rücktritt anbieten.

Die Spitze der deutschen Grünen will nach der Wahlniederlage vom Sonntag den Weg für eine personelle Neuaufstellung freimachen. Parteichefin Claudia Roth habe in Absprache mit dem Co-Vorsitzenden Cem Özdemir am Montag in der Früh in einer Vorstandssitzung vorgeschlagen, dass der Vorstand zurücktritt. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen.

Grün-Politikerin Künast sagte am Wahlabend in der ARD, dass sich ihre Partei zwar Koalitionsgesprächen mit der Union nicht verweigern werde. "Trotz extrem großer Fantasie bei mir: Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir mit Frau Merkel und dieser CDU nicht nur nach dieser Art des Wahlkampfs, sondern auch von den Inhalten her zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen sollten." So habe sich Merkel etwa als Bremserin der Energiewende gezeigt.

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"SPD und Grüne müssen sich sortieren"

Umweltminister Peter Altmeier (CDU) äußerte indes Verständnis für das Zögern von SPD und Grünen. "SPD und Grüne müssen sich auch sortieren nach so einer schmerzlichen Niederlage, das alles braucht ein, zwei Tage Zeit", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Wichtig sei, dass eine stabile Mehrheit für vier Jahre zusammenkomme. Sorge, das sich sowohl SPD als auch Grüne einer Koalition verweigern, habe er nicht.

Altmeier wird nachgesagt durchaus eine Schwäche für Schwarz-Grün zu haben, und auch CDU-Vizechefin Julia Klöckner nannte explizit die Grünen als möglichen Partner: "Die SPD muss wissen, was sie will, wir müssen wissen, was wir wollen. Man muss versuchen, verschiedene Aspekte zusammenzubekommen. Auch mit den Grünen."

CSU lehnt Koalition mit Grünen kategorisch ab

Doch es gibt freilich auch andere Stimmen in der Union: CDU-Fraktionschef Volker Kauder unterlief sogar ein - absichtlicher oder unabsichtlicher - Versprecher, in dem er sagte, nun werde über eine Große Koalition verhandelt. Auf Nachfrage der ARD-Moderatorin, dass das ja schon eine Festlegung der CDU sei und ja auch Schwarz-Grün rechnerisch möglich wäre, ließ Kauder heftige Antipathien gegen diese Option durchblicken.

Eine kategorische Ablehnung eines Schwarz-Grünen Bündnisses kam indes aus München: Eine derartige Koalition komme für die CSU nicht in Frage, verlautete am Montag nach Gesprächen von CSU-Spitzenpolitikern. Offizieller Beschluss ist das zwar keiner, aber ein Zeichen, dass etwaige Koalitionsverhandlungen sich sehr lange hinziehen würden.

Schwarz-Grün scheint aber zumindest im Bundesland Hessen eine Option. Nach der Landtagswahl schließt der christdemokratische Ministerpräsident Volker Bouffier eine schwarz-grüne Regierung nicht aus. "In Frankfurt arbeiten CDU und Grüne sehr erfolgreich zusammen, auf Landesebene ist es schwieriger, aber aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen", sagte er am Montag dem Sender HR-Info. Schwierig sei es etwa in der Verkehrspolitik.

>> Zu den Ergebnissen der Landtagswahl in Hessen

(c) APA

(APA/AFP/Reuters/dpa/klepa/hedu)

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