Krim-Krise: Wiener Vier-Punkte-Plan für die Ukraine

Krim, Krise, Ukraine
Krim, Krise, Ukraine(c) REUTERS (STRINGER)
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Österreichs Außenamt schlägt in Perspektivenpapier vor, dass die Ukraine weder der Nato noch derzeit der EU beitritt, sondern sich für bündnisfrei erklärt und sich einem Europäischen Wirtschaftsraum Ost anschließt.

Wien. Die Ukraine ist Österreich näher, als manche vielleicht denken, sowohl geografisch als auch wirtschaftlich. Österreichische Unternehmen haben Milliarden in das nur 430 Kilometer von Wien entfernte Land im Osten investiert, Banken Kredite in zweistelliger Milliardenhöhe vergeben. Nicht zuletzt deshalb hat Außenminister Sebastian Kurz seine neue Stabsstelle für Strategie und Planung beauftragt, ein Perspektivenpapier auszuarbeiten. Seine Vorgabe: Wie kann die Krim-Krise genützt werden, um langfristige Lösungsansätze für die Ukraine zu finden?

Das interne Papier liegt der „Presse“ vor. Kurz könnte bereits am Freitag einige der Ideen in Athen beim Treffen mit den EU-Außenministern vorstellen. Kern des Plans: Der Ukraine soll ein Ausweg aus dem permanenten Spannungsfeld zwischen West und Ost eröffnet werden. Aus dem Entweder-Europa-oder-Russland soll ein Sowohl-als-auch werden. Ähnlich hat sich der Außenminister schon knapp nach seinem Amtsantritt geäußert; jetzt ist der Grundgedanke in einem Vier-Punkte-Plan ausbuchstabiert. Und so sieht Österreichs Debattenbeitrag aus:

1 Bündnisfreiheit oder sogar Neutralität

Die Ukraine erklärt sich für bündnisfrei oder sogar neutral, allerdings nur, wenn sie volle Souveränität über ihr Territorium ausübt. Ähnlich wie bei Österreich im Jahr 1955 ist dabei an einen Stufenplan gedacht. In einem ersten Schritt werden in einem multilateralen Vertrag der Status quo ante auf der Krim wiederhergestellt und Minderheitenrechte festgeschrieben. Danach beordert Russland seine Soldaten in seine Basen auf der Krim zurück. Erst danach erklärt die Ukraine ihre militärische Bündnisfreiheit und schließt damit einen Beitritt zur Nato aus.

2 Maßgeschneiderter EWR-Ost


Auch ein EU-Beitritt ist zur Zeit keine realistische Option, weder für Europa noch für die Ukraine. Die Union bietet deshalb der Ukraine nach dem Vorbild des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), in dem sich Norwegen, Island und Liechtenstein befinden, einen maßgeschneiderten EWR-Ost an. Das könnte auch eine Lösung für andere Glacis-Staaten sein, für Ex-Sowjetrepubliken also, die zwischen Europa und Russland liegen.

3 Freihandel von Lissabon bis  Wladiwostok

Der Ukraine soll künftig ermöglicht werden, sowohl mit der EU als auch mit Russland Freihandelsabkommen abzuschließen. Eine EU-Assoziierung soll mit der von Russland forcierten Eurasischen Wirtschaftsunion kompatibel werden. Voraussetzung dafür ist, dass die EU und Russland bzw. die Eurasische Wirtschaftsunion ihrerseits ein gemeinsames Dach errichten und sich auf eine gemeinsame Freihandelszone einigen, die von Lissabon bis Wladiwostok reicht.

4 Überwindung der Gräben in der Ukraine

Die internationale Gemeinschaft hilft, die gesellschaftlichen Gräben in der Ukraine zu überwinden. Dazu dienen nicht nur Milliardenpakete. Auch im politischen Bereich soll die Ukraine laut Perspektivenpapier des Außenamts unterstützt werden. Die Ziele: Stärkung des Rechtsstaats im Kampf gegen die Korruption; Abgrenzung von rechtsradikalen Elementen; Vorbereitung der Präsidentenwahlen im Mai mithilfe der OSZE, des Europarats und der EU. Und: Erarbeitung einer Verfassung mit Minderheitenrechten und neuem Sprachengesetz.

Gleichklang mit Deutschland

Verbündete in der EU für den Vier-Punkte-Plan könnte Kurz rasch finden. Zu Beginn der Woche hat Deutschlands Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, öffentlich kritisiert, dass Europa die Ukraine in eine Zwickmühle manövriert habe, indem es sie vor die Alternative gestellt habe, entweder das EU-Assoziierungsabkommen zu unterschreiben oder der Zollunion mit Russland beizutreten. Und das Weimarer Dreieck, dem außer Deutschland auch Polen und Frankreich angehören, legte einen Vorschlag vor, der einem maßgeschneiderten EWR-Ost für die Ukraine sehr ähnelt. Auch die Idee, sich neutral oder bündnisfrei zu erklären, scheint bereits erste Wurzeln in der Ukraine zu schlagen. Vergangene Woche berieten zwei Völkerrechtsexperten des österreichischen Außenamts die ukrainische Regierung. Sie kamen einer Anfrage aus Kiew nach.

Ein Punkt jedoch erscheint aus heutiger Sicht sehr unrealistisch im Perspektivenpapier des Sebastian Kurz: dass Russland jemals wieder die Krim herausrückt.

Der Plan

Österreich will der Ukraine eine maßgeschneiderte Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum anbieten, und zwar unter dem Dach einer gemeinsamen Freihandelszone mit Russland, die von Lissabon bis Wladiwostok reichen soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

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