Angst vor Massaker: Türkei stoppt Friedensdelegation nach Nusaybin

Kurdische Demonstranten im Süden der Türkei.
Kurdische Demonstranten im Süden der Türkei.AFP
  • Drucken

Politiker und Aktivisten versuchen in die abgeriegelte Stadt Nusaybin zu gelangen. Seit fünf Tagen gilt in der kurdischen Stadt der Ausnahmezustand.

Die Angst vor neuen Kämpfen im Südosten der Türkei ist so virulent wie nie. Einer europäischen Friedens-Delegation, unter der sich auch vier österreichische Politiker befinden, wurde Montagfrüh der Zutritt zur Stadt Nusaybin in der Provinz Mardin verwehrt. Das Militär habe die Gruppe aus österreichischen, deutschen und niederländischen Politikern und Friedensaktivisten 14 Kilometer vor der Stadtgrenze gestoppt. Auch sechs Parlamentariern der prokurdischen Partei HDP soll der Zutritt zur Stadt verwehrt worden sein.

Nach einem Angriff der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) herrscht in der mehrheitlich kurdischen Stadt seit 1. Oktober die Ausgangssperre. Vor fünf Tagen wurden bei dem Angriff der kurdischen Rebellenorganisation ein Angehöriger der Gendarmerie getötet, ein Dorfschützer und fünf Soldaten wurden verletzt, berichten türkischen Medien. Den Berichten zufolge wurde auch ein PKK-Mitglied getötet. Seitdem wird von mehreren Verletzten berichtet. Der Provinzgouverneur habe von bereits 14 Toten gesprochen, offiziell bestätigt sind derzeit nur zwei.

In der Grenzstadt zu Syrien wird ein ähnliches Massaker wie in Cizre in der Provinz Sirnak vor rund einem Monat befürchtet. Nach wiederholten Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und der PKK wurde in der 120.000 Einwohner Stadt eine neuntägige Ausgangssperre verhängt. Sicherheitskräfte riegelten Cizre in der Zeit vollständig von der Außenwelt ab. Bei Gefechten sind in dieser Zeit nach Angaben des türkischen Innenministeriums 30 bis 32 PKK-Kämpfer getötet worden. Die prokurdische Partei HDP macht die Regierung dagegen für den Tod von 23 Zivilisten in Cizre verantwortlich, darunter ein Säugling, ein zehnjähriger Bub und ein alter Mann.

Polizisten schleifen toten Kurden durch Straßen

Unterdessen sorgen Berichte, wonach Polizisten die Leiche eines bei Gefechten getöteten Kurden geschändet haben sollen, für Empörung. Ein solches Verhalten sei nicht hinnehmbar, betonte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu laut Presseberichten vom Montag. Juristische und dienstrechtliche Ermittlungen seien eingeleitet worden. Am Wochenende waren Foto- und Videoaufnahmen aufgetaucht, die angeblich zeigen, wie ein Fahrzeug der Polizei im südostanatolischen Sirnak die Leiche eines getöteten Kurden durch die Straßen der Stadt schleift.

Laut der Zeitung "Hürriyet" erklärte das Innenministerium, die Leiche vorübergehend hinter dem Fahrzeug hergeschleift worden, weil der Verdacht bestanden habe, dass sie mit einer Sprengfalle versehen war. Die Aufnahmen lösten bei den Kurden in der Türkei große Empörung aus. Der Vorsitzende der legalen Kurdenpartei HDP, Selahattin Demirtas, verbreitete ein Foto der Leichenschändung über Twitter und schrieb, niemand solle das Foto vergessen, "weil wir es nicht vergessen werden". Polizisten in dem Fahrzeug sollen den Getöteten während der Fahrt verhöhnt und verflucht haben.

Bei dem Toten handle es sich um den Schwager einer HDP-Parlamentsabgeordneten. Das türkische Kurdengebiet wird seit Juli von Gefechten zwischen türkischen Sicherheitskräften und der verbotenen Rebellengruppe Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) erschüttert. Mehrere hundert Menschen kamen bisher in dem Konflikt ums Leben. Kurdenvertreter werfen Polizei und Armee vor, beim Kampf gegen die PKK schwere Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Dagegen betont die Regierung, das Vorgehen gelte lediglich der PKK, nicht aber kurdischen Zivilisten, und werde unter strikter Beachtung rechtsstaatlicher Regeln geführt.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.