Die rechtsextreme NPD wird in Deutschland nicht verboten. Die Partei habe kein Erfolgspotenzial, meinen die Verfassungsrichter.
Die rechtsextreme "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) wird nicht verboten. Das deutsche Bundesverfassungsgericht lehnte am Dienstag in Karlsruhe den 2013 eingereichten Verbotsantrag der Bundesländer ab. "Nach einstimmiger Auffassung des Zweiten Senats verfolgt die NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele, es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt", begründete Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle die Entscheidung.
Es ist damit bereits das zweite Mal, dass der Versuch, in Karlsruhe gegen die NPD vorzugehen, mit einem Misserfolg endet. Ein erstes Verfahren war 2003 geplatzt, weil ans Licht kam, dass die Partei bis in die Spitze mit Informanten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Deutsche Regierung und Bundestag, die das Verbot damals mit beantragt hatten, schlossen sich deshalb diesmal dem Bundesrat nicht an.
Verfahrensfehler sah das Verfassungsgericht dieses Mal nicht. Aber die Partei habe kein Erfolgspotenzial. Nach dem Grundgesetz könne eine Partei jedoch nur dann verboten werden, wenn sie darauf aus sei, "die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen." Die Gesinnung der Partei und ihr Konzept der "Volksgemeinschaft" seien zwar menschenverachtend, rassistisch und wesensverwandt mit der Ideologie das Nationalsozialismus. Doch dies allein reiche nicht aus.
NPD nur noch auf kommunaler Ebene vertreten
Im September 2016 mussten die Rechtsextremen bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ihre deutschlandweit letzten Landtags-Mandate abgeben. Seither ist die NPD nur noch auf kommunaler Ebene und mit einem Abgeordneten im Europaparlament vertreten. Am stärksten verankert ist die NPD in Ostdeutschland und dort besonders in Sachsen. Landesweit hat sie heute nur noch rund 5000 Mitglieder.
Die Verfassungshürden für ein Parteiverbot sind in Deutschland hoch. Nur zwei Mal seit 1949 wurden Parteien verboten: 1952 die "Sozialistische Reichspartei Deutschlands" (SRP), die eine Nachfolgepartei der NSDAP war, und 1956 die kommunistische KPD.
"Tragischer Tag für die wehrhafte Demokratie"
Deutschlands Justizminister Heiko Maas hatte am Montag noch dazu aufgerufen, den Kampf gegen den Rechtsextremismus unabhängig vom Ausgang des Verfahrens fortzusetzen. "Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus wird uns das Bundesverfassungsgericht nicht abnehmen."
Maas stellte zudem klar, die deutsche Regierung werde das Urteil akzeptieren, "wie immer es ausfällt". Grundsätzlich forderte der SPD-Politiker eine "klare Haltung gegen rechte Hetze". Dies bleibe eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat die weitere Beobachtung der rechtsextremen Partei durch den Verfassungsschutz zugesichert. Diese halte er "weiter für geboten", ebenso wie auch künftige Verbote rechtsextremer Vereine, erklärte de Maiziere am Dienstag in Berlin. Die Einstufung der NPD als schwach und unbedeutend wertete der Minister aber als Erfolg. "Unsere Auffassung, dass die Ideologie der NPD verfassungsfeindlich und mit dem Demokratieprinzip unvereinbar ist sowie die Menschenwürde missachtet, hat das Bundesverfassungsgericht heute deutlich bestätigt", erklärte de Maiziere weiter.
Kritik an dem Urteil gab es von dem "Internationalen Auschwitz Komitee (IAK). "Heute ist ein tragischer Tag für die wehrhafte Demokratie", sagte IAK-Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner am Dienstag. Die Entscheidung sei "für die Überlebenden des Holocaust eine empörende und erschreckend realitätsferne Entscheidung". Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, erklärte: "Ich respektiere die Entscheidung selbstverständlich, aber ich bedauere sie sehr."
Der Verfall der NPD
Aufstieg in den 60er-Jahren
Die NPD erlebte in den 60er-Jahren eine erste Erfolgswelle. Der Partei gelang der Einzug in sieben der damals elf deutschen Landesparlamente. Bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte sie mit 4,3 Prozent nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Aufstieg war aber nur ein vorübergehendes Phänomen. In den 70er-Jahren verschwand die Partei weitgehend wieder von der Bildfläche und kam bei der Bundestagswahl von 2013 auf 1,3 Prozent.
Wiederaufstieg nach der Wende
Einen Wiederaufstieg mit neuem Personal erlebte die NPD nach der deutschen Wiedervereinigung. Wurde sie in den 60er-Jahren noch von alten NSDAP-Anhängern getragen, konnte sie nun vor allem bei jenen Wählern in Ostdeutschland punkten, die sich als Verlierer der Wende sahen. 2009 zog sie in den Landtag von Sachsen ein, verfehlte aber 2014 nach heftigen internen Querelen den Wiedereinzug, während die rechtspopulistische AfD (Alternative für Deutschland) aus dem Stand fast zehn Prozent holte.
Keine Landtage mehr
Inzwischen ist die NPD in keinem Landtag mehr vertreten. Ihre letzten Sitze verlor sie 2016 in Mecklenburg-Vorpommern, wo die AfD mehr als 20 Prozent holte. Bei der Europawahl im Jahr 2014 kam die NPD auf ein Prozent und ist mit einem Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten, nachdem das deutsche Verfassungsgericht Sperrklauseln von fünf Prozent und dann drei Prozent bei Europawahlen in Deutschland für unzulässig erklärte.
(APA/Reuters/AFP)