Deutschland: "NPD ist zu schwach, um Demokratie zu gefährden"

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Das Bundesverfassungsgericht hat den Verbotsantrag der Länder abgelehnt. Die NPD sei zwar wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus, habe aber mittlerweile kein politisches Gewicht mehr.

Berlin/Karlsruhe. Seit mehr als 60 Jahren wurde in Deutschland keine Partei mehr verboten. Die letzte war die kommunistische KPD im Jahr 1956. Dasselbe Schicksal hatte vier Jahre davor die Sozialistische Reichspartei Deutschlands ereilt, eine Nachfolgerin der NSDAP.

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, kurz NPD, darf hingegen weitermachen. Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag einen Verbotsantrag des Bundesrates (Länderkammer) abgelehnt. In ihrem 300 Seiten langen Urteil hielten die Richter fest, dass die NPD zwar „wesensverwandt“ mit dem Nationalsozialismus sei. Allerdings gehe von der Partei derzeit keine Gefahr für die Demokratie aus. Dafür, heißt es sinngemäß, sei sie nämlich zu schwach.

„Der eine oder andere mag das Ergebnis irritierend empfinden“, sagte Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Ein Parteiverbot sei jedoch „kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot“. Die gesetzlichen Hürden sind hoch: Verbieten ist nur zulässig, wenn die Partei darauf ausgerichtet ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Das trifft zwar prinzipiell auf die NPD zu. Aber entscheidend ist, ob sie auch in der Lage ist, ihr Programm zu verwirklichen.

Für ein Verbot, so Voßkuhle, müssten „konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann“. Doch an Gewicht mangelt es der NPD mittlerweile. Sie hat nur noch knapp 6000 Mitglieder und ist in keinem Landtag mehr vertreten. 2014 fiel sie in Sachsen aus dem Landesparlament, 2016 dann auch in Mecklenburg-Vorpommern. Es bleiben: ein Mandat im EU-Parlament (Udo Voigt) und einige kommunale Hochburgen im Osten Deutschlands. Allerdings hat die NPD auch dort Konkurrenz durch Pegida und – vor allem – die AfD bekommen. Rechtspopulismus ist breitenwirksamer als Rechtsextremismus.

1956 war das Gesetz noch anders ausgelegt worden. Damals reichte schon die Gesinnung für ein Verbot der KPD. Allerdings befand sich die Welt da im Kalten Krieg.

Im Falle der NPD war es bereits der zweite Verbotsversuch. Der erste scheiterte im Jahr 2003, nachdem sich herausgestellt hatte, dass V-Männer des Verfassungsschutzes in der Parteispitze aktiv sind. Mehrere Richter sahen ein faires Verfahren verletzt. Die Länder hatten das Verbot gemeinsam mit der Bundesregierung und dem Bundestag beantragt. Beim zweiten Anlauf versuchten sie es allein. Das Verfahren war von Anfang umstritten. Kritiker argumentierten, dass ein Parteiverbot nichts an der Verbreitung einer Ideologie ändere.

Finanziell aushungern lassen?

Die Antragsteller waren am Dienstag enttäuscht. „Das ist nicht das von den Ländern erhoffte Ergebnis“, sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig. Dafür bekamen die NPD-Gegner einen sachdienlichen Hinweis von Voßkuhle: Es gebe im Umgang mit einer unliebsamen Partei auch „andere Reaktionsmöglichkeiten“ – zum Beispiel den Entzug der staatlichen Parteienförderung. Darüber hätte allerdings nicht das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, sondern derjenige, der die Bundesverfassung ändern könne: der Gesetzgeber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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