Trump bringt Mexiko in Wallung

Trump-Puppe in Flammen: Donald Trump ist in Mexiko zum Hassobjekt Nummer eins geworden.
Trump-Puppe in Flammen: Donald Trump ist in Mexiko zum Hassobjekt Nummer eins geworden.(c) APA/AFP/PEDRO PARDO (PEDRO PARDO)
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Der US-Präsident ist südlich des Rio Grande längst zur Reizfigur geworden. Präsident Nieto geriet unter Druck. Er sagte seine Visite im Weißen Haus ab.

Wien/Mexico City. In Mexiko kocht die Volksseele. Die Erregung über Donald Trump, seine Mauerpläne und den Handelskonflikt mit den USA hat das gesamte politische Spektrum des Landes erfasst. Ein „Schlag ins Gesicht“, ein „Affront“, eine „Beleidigung“: So tönt es nach dem Dekret des US-Präsidenten landauf, landab südlich des Rio Grande, von den Kirchen bis zu den Intellektuellen. Die Mexikaner verstehen Trumps Ankündigung des Ausbaus des Grenzwalls als eine Art Kriegserklärung, als schwerste Krise in den bilateralen Beziehungen seit der Drohung des Präsidenten Calvin Coolidge vor mehr als 90 Jahren, in „Sowjet-Mexiko“ einzumarschieren.

Die breite Anti-Trump-Stimmung bringt die ohnehin angeschlagene Regierung in Mexico City in ein Dilemma. Präsident Enrique Peña Nieto protestierte zaghaft gegen die Pläne Washingtons und versuchte, seinen Kurs der Beschwichtigungspolitik und der Schadensminimierung beizubehalten. Doch Trump hat ihn und seinen Intimus Luis Videgaray nun bereits zum zweiten Mal brüskiert.

Unpopulärer Nieto

Just als Außenminister Videgaray und Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo in Washington mit ihren Marathonverhandlungen zur Rettung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta begannen, machte der neue US-Präsident seine Drohungen aus dem Wahlkampf wahr. Mexiko werde die Kosten für den Mauerbau, wenngleich womöglich auf indirektem Weg durch Steuern und Strafzölle, zu „100 Prozent“ tragen, bekräftigte er vollmundig. Pflichtgemäß widersprach Nieto, zumal die Finanzierung Schätzungen zufolge bis zu 40 Milliarden Dollar verschlingen könnte.

Für den mexikanischen Präsidenten ist es ein Dêjà-vu-Effekt. Vor nicht einmal einem halben Jahr empfing Nieto den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump in Mexico City. Der vermeintliche Coup nutzte indessen nur Trump, der sein außenpolitisches Profil schärfte. In Mexiko richtete sich der Unmut hingegen gegen Nieto, der sich schließlich gezwungen sah, den damaligen Finanzminister Videgaray zu entlassen. Videgaray hatte die Trump-Visite eingefädelt. Knapp vor dem Amtsantritt Trumps kehrte er indessen wieder in die Regierung zurück, in der Schlüsselposition des Außenministers.

Von Oppositionsführer Andrés Lopez Obrador über Margarita Zavala, die ehemalige First Lady und konservative Präsidentschaftskandidatin, bis zu Ex-Außenminister Jorge Castañeda fordert die politische Elite den Präsidenten nun dezidiert zur Absage seines Besuchs im Weißen Haus am nächsten Dienstag auf. Obrador denkt gar an eine Anklage gegen Trumps Politik vor der UNO.

Nieto wollte zunächst die Rückkehr seiner Minister aus Washington und die Ergebnisse ihrer Diplomatie abwarten. Seine Umfragewerte stürzten nach den Protesten gegen die Erhöhung der Benzinpreise zu Beginn des Jahres auf einen Tiefstand von zwölf Prozent. Sollte Mexiko nicht bereit sein, den Mauerbau zu finanzieren, sollte Nieto besser zu Hause bleiben, höhnte derweil Trump via Twitter. Nieto blieb schließlich nichts anderes übrig, als genau dies zu tun. Er wäre sonst vollends das Objekt der Häme geworden.

Forscher Anti-Trump

Der Ex-Präsident schlägt indes mit gleicher Münze, sprich im derben Ton und teils in Großbuchstaben, gegen Trump zurück, was ihm weltweit eine Fangemeinde eintrug. „Trump, wann wirst du begreifen, dass ich nicht für die verfickte Mauer zahlen werde?“, twittert Vicente Fox. Mit Lust spottet der frühere Lateinamerika-Chef von Coca Cola über „Baby Trump“, bezeichnet ihn als „Rabauken“, „falschen Propheten“, lästert über die „neue Ära der Diktatur“. Einmal drosch er auf eine Trump-Puppe ein, eine Piñata, was er so kommentierte: „Leer. Total leer, kein Gehirn.“ Als Gegenstrategie rät er zum alttestamentarischen Credo „Auge um Auge“.

Angesichts der Turbulenzen mit dem mächtigen Nachbarn im Norden ist der Peso ins Trudeln geraten. Die Verflechtungen sind enorm: Das Handelsvolumen mit den USA beläuft sich auf 530 Mrd. Dollar, fast 80 Prozent der Exporte sind für den US-Markt bestimmt. Für viele Mexikaner ist der Nafta-Ausstieg zum realistischen Szenario geworden, und ein Diktum bedrohlicher denn je: „Armes Mexiko, so fern von Gott, so nah an den USA.“ Dabei hätten sie vorgewarnt sein müssen, als Trump bei der Ankündigung seiner Kandidatur im Juni 2015 pauschal über Mexiko herzog. Nur, damals nahm ihn keiner ernst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2017)

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