"Ein Geschenk für Terroristen"

 Irans Parlamentspräsident Ali Larijani schimpft über „den gewalttätigen und rassistischen Geist“ der USA.
Irans Parlamentspräsident Ali Larijani schimpft über „den gewalttätigen und rassistischen Geist“ der USA.(c) APA/AFP/ATTA KENARE
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Trumps Einreisestopp sorgt in der arabischen Welt und im Iran für Empörung: Besonders scharf ist die Reaktion im Iran, der im Gegenzug nun keine US-Bürger mehr ins Land lassen will.

Kairo. Im vergangenen Herbst haben noch alle gelacht über den Werbegag von Royal Jordanian Airlines. „Falls er gewinnt . . . reisen Sie in die USA, solange Sie noch dürfen“, warb die Fluglinie für ihre Transatlantik-Angebote. Jetzt sitzt Donald Trump im Oval Office, und niemand lacht mehr. Seit Freitagabend dürfen Touristen, Familienangehörige, Sportler, Wissenschaftler und Geschäftsleute von sieben Nahoststaaten, in denen insgesamt 134 Millionen Menschen leben, die Vereinigten Staaten nicht mehr betreten.

Per Dekret blockierte der neue Chef im Weißen Haus für mindestens drei Monate alle Einreisen aus Iran, Irak, Syrien, Jemen, Libyen, Sudan und Somalia. Betroffen sind auch Bürger, die eine doppelte Staatsbürgerschaft oder eine Green Card haben (siehe Seite 1).

Der Nahe Osten reagierte mit Bestürzung, Schock und scharfer Kritik, auch weil die Trump-Order als eine kollektive Diskriminierung der Muslime verstanden wird. „Man hat den Eindruck, dass Amerika nicht mehr das Land ist, das wir bisher kannten“, sagte Ammar Ali Hassan, ein bekannter ägyptischer Schriftsteller. Viele Kommentatoren fürchten, dass das provokante Vorgehen des Weißen Hauses die anti-westlichen Ressentiments in der Region verschärfen und die Propaganda der Extremistengruppen beflügeln wird.

„Das ist ein großes Geschenk an die Terroristen und ihre Unterstützer“, twitterte Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif. Parlamentspräsident Ali Larijani sagte, das Vorgehen zeige „den gewalttätigen und rassistischen Geist“ der USA. Die reformernahe Zeitung „Shahrvand“ titelte: „Trumps Mauer hat auch den Iran erreicht.“

Mit 35.000 Visa für Studenten und Verwandtenbesuche entfiel 2015 auf den Iran fast die Hälfte aller 86.000 Einreiseerlaubnisse aus den sieben betroffenen muslimischen Ländern. Ein Regierungssprecher in Teheran kündigte an, man werde im Gegenzug keine US-Bürger mehr in die Islamische Republik lassen – in der Regel Touristen oder Geschäftsleute, die nach dem Ende der Sanktionen neue Geschäftsbeziehungen anknüpfen wollen. Hunderte iranische Studenten, die die Jänner-Semesterpause für Besuche bei ihren Familien nutzten, können nicht mehr zurück an ihre Studienorte.

Auf dem Flughafen in Teheran durfte eine Frau nicht abfliegen, die 14 Jahre auf ihre Green Card gewartet hatte. Aus Solidarität sagte die iranische Star-Schauspielerin Taraneh Alidoosti ihre Teilnahme an der Oscar-Verleihung am 26. Februar in Hollywood ab.

Im Unterschied zum Iran, der vor einem Jahr einen Atomvertrag mit den Vetomächten des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland abschloss und dessen Staatsbürger noch nie ein Attentat auf amerikanischem Boden verübten, stehen Saudiarabien, Libanon, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate nicht auf der Trump-Liste, obwohl sämtliche Attentäter des 11. September 2001 aus diesen vier Staaten kamen. Saudiarabien liefert Öl und vergibt, wie die Emirate, milliardenschwere Rüstungsaufträge an US-Firmen. Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi genießt die Sympathie des US-Präsidenten, der den starken Mann am Nil als wichtigen Verbündeten im Antiterrorkampf ansieht. Und der Libanon hat einen Christenanteil von rund 40 Prozent.

Weiterer Vertrauensverlust

Im Irak teilte die US-Botschaft auf ihrer Facebook-Seite mit, alle bereits ausgestellten Visa für Iraker seien ungültig. Damit werden auch die Emigrationspläne zahlreicher Familien durchkreuzt, die als Übersetzer oder Dienstleister für die US-Armee arbeiteten und im Irak als Kollaborateure bedroht werden. Dieser Vertrauensbruch könnte künftig die Bereitschaft örtlicher Kräfte schmälern, den 5000 stationierten US-Soldaten zu helfen, befürchten US-Diplomaten.

In Kairo wurde eine irakische Familie mit Immigrationsvisum abgewiesen, die mit Egypt Air nach New York weiterfliegen wollte. „Donald Trump hat mein Leben zerstört, das Leben meiner Familie. Ich habe immer gedacht, Amerika sei ein Staat der Institutionen, aber jetzt kommt es mir vor wie eine Diktatur“, sagte der 51-jährige Familienvater gegenüber AFP.

Syrische Flüchtlinge trifft es noch härter, sie dürfen auf unbestimmte Zeit nicht mehr einreisen. Ihr Aufnahmekontingent für 2017, das Vorgänger Barack Obama zugesagt hatte, wird von 110.000 auf 50.000 mehr als halbiert. Nach dem Willen von Trump sollen generell Christen gegenüber Muslimen bevorzugt werden, eine Praxis, die jedoch bereits besteht. Bisher wurden 37.500 syrische Christen aufgenommen und knapp 39.000 Muslime, obwohl Christen vor Ort höchstens fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2017)

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