Rumäniens Regierung ignoriert Anti-Korruptions-Massenproteste

40.000 Menschen demonstrierten in Bukarest.
40.000 Menschen demonstrierten in Bukarest.APA/AFP/DANIEL MIHAILESCU
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Am Donnerstag hatten erneut Tausende Rumänier gegen die Lockerung des Anti-Korruptionsgesetzes demonstriert. Der Regierungschef lehnt ein Einlenken weiterhin ab.

Trotz der anhaltenden Massenproteste gegen die Lockerung des Anti-Korruptionsgesetzes rückt die rumänische Regierung nicht von ihrem Kurs ab. Nach Beratungen der sozialdemokratischen Regierungspartei PSD lehnte Ministerpräsident Sorin Grindeanu am Donnerstag eine Rücknahme der Entscheidung ab. In der Hauptstadt Bukarest gingen den dritten Tag in Folge Zehntausende Demonstranten auf die Straße.

Laut Medienberichten versammelten sich vor dem Regierungssitz etwa 40.000 Menschen. Am Vorabend war es in Rumänien zu den größten Massenprotesten seit dem Ende des Kommunismus gekommen. Allein in Bukarest gingen 100.000 Menschen auf die Straße, landesweit machten bis zu 300.000 Demonstranten ihrem Ärger Luft. In Bukarest kam es dabei zu vereinzelten Zusammenstößen mit der Polizei.

Angesichts des gewaltigen Drucks wurden in der Regierung erste Risse sichtbar. Handelsminister Florin Jianu reichte am Donnerstag seinen Rücktritt ein. Jianu erklärte auf seiner Facebook-Seite, er habe bereits nach Verabschiedung des Dekrets über einen Rücktritt nachgedacht, nun folge er "seinem Gewissen" und hoffe, dass die Regierung "den Anstand hat, ihren Fehler zu korrigieren".

An Erlass sei "nichts geheim, illegal oder unmoralisch"

Ministerpräsident Grindeanu lehnte ein Einlenken gegenüber den Demonstranten aber ab. "Wir leben in einer Zeit, in der die Manipulation ein alarmierendes Ausmaß erreicht hat", erklärte er in der Nacht. Nach Beratungen der Regierungspartei PSD erklärte er am Donnerstagnachmittag, die Regierung werde ihren Weg weiter gehen.

Justizminister Florin Iordache rechtfertigte das Dekret zur Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze: An dem Erlass sei "nichts geheim, illegal oder unmoralisch". Seinen Rücktritt, wie von den Demonstranten gefordert, lehnte er ab. Gleichzeitig aber kündigte Iordache an, die laufenden Amtsgeschäfte eine Woche lang an seinen Staatssekretär Constantin Sima zu übertragen. Einen Grund für den Schritt nannte er nicht.

Die sozialdemokratische Regierung hatte am Dienstagabend per Dekret mehrere Vergehen für straffrei erklärt. Amtsmissbrauch wird zudem nur noch mit Gefängnis bestraft, wenn der Streitwert über 44.000 Euro liegt. Darüber hinaus legte die Regierung dem Parlament ein Gesetzesvorhaben zur Amnestie von Straftätern vor, die zu weniger als fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

2500 Häftlinge würden profitieren

Von der Haftentlassung würden rund 2500 Häftlinge profitieren - darunter mehrere Politiker, die wegen Korruption in Haft sitzen. Auch der Vorsitzende der regierenden PSD, Liviu Dragnea, würde durch die abgeschwächten Strafen vor weiterer Strafverfolgung geschützt. Der 54-Jährige steht derzeit wegen Amtsmissbrauchs mit einem Schaden in Höhe von 24.000 Euro vor Gericht. Davor war er schon einmal wegen Wahlbetrugs von allen Ämtern ausgeschlossen worden.

Rumäniens Präsident Klaus Iohannis zeigte sich am Donnerstag "beeindruckt" von den Protesten. Der konservative Staatschef, der mit dem Versprechen angetreten war, das ärmste EU-Land während seiner fünfjährigen Amtszeit von Korruption zu befreien, rief am Donnerstag das Verfassungsgericht wegen des Dekrets an. Er fordert dessen Annullierung, bevor es "Konsequenzen" haben werde. Bereits am Vortag hatte die Justizaufsicht Beschwerde beim Verfassungsgericht eingelegt.

Wann sich die Richter mit den Klagen befassen werden, war zunächst noch unklar. Gegner des Dekrets hoffen, dass sie noch vor dem 10. Februar ein Urteil fällen werden, dem Datum, an dem die Lockerungen in Kraft treten sollen.

(APA/AFP)

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