Erdogan unterzeichnet seinen eigenen Machtausbau

Erdogan vor einer Ehrengarde im Präsidentenpalast in Ankara.
Erdogan vor einer Ehrengarde im Präsidentenpalast in Ankara.REUTERS
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Mit seiner Unterschrift bestätigte der türkische Präsident die Einführung eines Präsidialsystems. Die Bevölkerung soll im April in einem Referendum abstimmen.

Fast drei Wochen nach der Verabschiedung im türkischen Parlament hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan den Entwurf zur Verfassungsänderung für ein Präsidialsystem unterschrieben. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag. Nach der Veröffentlichung im Amtsanzeiger legt die Wahlkommission im nächsten Schritt ein Datum für ein Referendum fest, mit dem im April gerechnet wird.

Bei dem Referendum wird mit einer engen Abstimmung gerechnet. Verlässliche Umfragen liegen aber kaum vor.

Nach Angaben von Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus wird es "voraussichtlich" am 16. April 2017 stattfinden. Kommt in der Volksabstimmung eine einfache Mehrheit für die Verfassungsreform zustande, wird das parlamentarische System in der Türkei durch ein Präsidialsystem ersetzt werden.

Opposition spricht von "Diktatur"

Das Präsidialsystem würde Erdogan deutlich mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen. Der Posten des Ministerpräsidenten wird abgeschafft, der Präsident würde zugleich als Staats- und Regierungschef amtieren und könnte weitgehend per Dekret regieren. Sein Einfluss auf die Justiz würde weiter zunehmen. Laut Experten könnte er mit der Verfassungsänderung seine Macht bis 2034 sichern.

Die Umsetzung der Verfassungsreform soll - wenn das Volk der Änderung zustimmt - schrittweise erfolgen. Mit einer für November 2019 geplanten Wahl von Präsident und Parlament soll die Reform abgeschlossen werden.

Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP hatte die Verfassungsreform am 21. Jänner im Parlament mit Stimmen aus der ultranationalistischen Oppositionspartei MHP im Parlament durchgesetzt. MHP-Chef Devlet Bahceli und zahlreiche MHP-Abgeordnete unterstützen die auch in der Partei umstrittenen Reform. Die größte Oppositionspartei CHP und die pro-kurdische HDP sind dagegen. Sie fürchten eine "Diktatur" in der Türkei.

Erdogan: "Nicht für meine Person gedacht"

Erdogan hatte die Vorwürfe, wonach das von ihm angestrebte Präsidialsystem in der Türkei auf ihn zugeschnitten sei, am Mittwoch erneut zurückgeworfen. "Diese Angelegenheit ist nicht die persönliche Angelegenheit von Recep Tayyip Erdogan", sagte der Staatschef am Mittwoch vor Ortsvorstehern in Ankara.

"Das System einer Präsidialregierung ist also nicht für meine Person und schon gar nicht permanent für meine Person gedacht. Nur keine Sorge. Jedes System schafft seinen eigenen Führer, seinen eigenen Anführer. Mit Gottes Hilfe wird es in der Türkei immer Tayyip Erdogans geben."

(APA/AFP)

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