Römischer Kampf gegen Faulenzer

Beliebte Freizeitbeschäftigung: Bocciaspieler in einem Park in Rom.
Beliebte Freizeitbeschäftigung: Bocciaspieler in einem Park in Rom. (c) REUTERS
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Dank eines neuen Gesetzes müssen arbeitsschwänzende Beamte jetzt schnell gekündigt werden. Damit soll diese teure „Tradition“ in öffentlichen Ämtern ein für alle Mal beendet werden.

Wien/Rom. Alberto Muraglia schlenderte morgens in Unterhosen und schlabbrigem T-Shirt halb verschlafen zu seinem Büro, das sich praktischerweise im selben Gebäude wie seine Wohnung befand. Der Verkehrspolizist zog seinen Badge durch die Stechuhr. Dann machte er kehrt – und schlurfte zurück nach Hause. Ins Bett. Manchmal, wie sich später herausstellte, schickte der Morgenmuffel einfach seine Frau oder seine Tochter zum Stempeln.

Dummerweise wurde Muraglia aus dem norditalienischen San Remo bei einem seiner morgendlichen „Arbeitswege“ von einer versteckten Videokamera der Finanzpolizei gefilmt. Das verschwommene Schwarz-Weiß-Video des Polizisten in Unterhose wurde 2015 zum Sinnbild des faulen italienischen Beamten. Gegen Muraglia wurde später ermittelt, ebenso wie gegen Dutzende seiner Kollegen in der Stadtverwaltung: Sie hatten die Sonnenstunden während ihrer Arbeitszeit für einen Einkaufsbummel durchs Zentrum, einen Spaziergang am Strand oder eine Bootsfahrt genützt. Offiziell saßen sie laut Stechuhr im Büro: Diese „Faulenzer-Bande“, wie sie in Medien später genannt wurde, schickte jeweils einen Kollegen vor, der für alle anderen die Karte an der Stechuhr durchzog.

Die meisten wurden zwar später vom Dienst suspendiert, aber nur eine Handvoll – darunter Muraglia, mussten gehen. Denn bisher war es in Italien extrem schwierig, einen Beamten zu feuern: Das Verfahren dauerte meist Jahre.

Als Muraglia und Co. 2015 erwischt wurden, saß der inzwischen zurückgetretene Premier Matteo Renzi noch fest im Sattel. Der Regierungschef gab sich damals als Vorkämpfer für ein modernes, effizientes und vor allem fleißiges Italien. Der Fall Muraglia kam ihm gerade recht: Arbeitsschwänzende Beamte, die sich auf Kosten öffentlicher Gelder ein schönes Leben machten, hatten in Italien bis dahin eine traurige Tradition und kosteten den Staat Milliarden. Immerhin stellen öffentliche Beamte fast 15 Prozent der italienischen Arbeitskräfte, in süditalienischen Regionen wie Kalabrien oder Sizilien sind es gar rund 22 Prozent.

Diese „Fannulloni“ (Faulenzer) gehörten also zum Lieblingsfeindbild des „Verschrotters“, der mit dem Wahlversprechen angetreten war, Italiens aufgeblasene und ineffiziente Bürokratie zu reformieren. So ließ er von seiner Ministerin Marianna Madia Maßregeln entwerfen, um diese „Schlaumeier der Stechuhr“ ein für alle Mal eine Lektion zu erteilen: Laut diesem „Anti-Faulenzer-Gesetz“ müssen Beamte innerhalb von 48 Stunden suspendiert und dann innerhalb eines Monats gekündigt werden, wenn sie beim Schwänzen ertappt werden. Bestraft werden auch Chefs, die ein Auge zudrücken: Ihnen droht nun ebenfalls die Kündigung. Nachdem das Gesetz im Sommer das Parlament passierte, gab am Freitag der Ministerrat definitiv grünes Licht dafür.

Mussolini und der Cappuccino

Faulen Beamten weht ohnehin seit einiger Zeit ein rauerer Wind entgegen. Die Wirtschaftskrise und die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit haben die jahrzehntelange, resignierte Toleranz der Italiener gegenüber ihren Bürokraten strapaziert: Die Zahl der Verfahren gegen die Blaumacher im öffentlichen Dienst ist rasant gestiegen, allein im Jahr 2015 gab es ein Viertel mehr Kündigungen wegen „Arbeitsschwänzern“ unter den Beamten.

Vielleicht schafft also das neue Gesetz, was offenbar nicht einmal Benito Mussolini gelungen ist. Laut dem verstorbenen Starjournalisten Indro Montanelli stieß der Duce auf heftigsten und nie zuvor gesehenen Widerstand, als er den Beamten ihre Cappuccino-Pause wegnehmen wollte. Der Diktator biss auf Granit, er scheiterte kläglich. Und seufzte: „Es ist nicht schwierig, die Italiener zu regieren. Es ist unmöglich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2017)

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