Italien: Sozialdemokraten vor der Spaltung

Ex-Premier Renzi ist am Sonntag auch vom Parteivorsitz zurückgetreten, er will sich aber erneut um den Spitzenposten im PD bewerben.
Ex-Premier Renzi ist am Sonntag auch vom Parteivorsitz zurückgetreten, er will sich aber erneut um den Spitzenposten im PD bewerben. (c) imago/Insidefoto
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Die Regierungspartei Partito Democratico droht auseinanderzufallen. Dem linken Flügel ist Ex-Premier Matteo Renzi ein Dorn im Auge. Damit riskiert der PD politischen Selbstmord.

Rom. Die Krise des italienischen Partito Democratico (PD) bedroht das politische Überleben der Partei. Die Fronten sind verhärtet, die Abspaltung des linken Parteiflügels vom Rest des sozialdemokratischen PD scheint nicht mehr abwendbar – wobei sich die linke Minderheit weniger von der Partei als von der Person Matteo Renzi trennen will.

Dabei ist der Ex-Ministerpräsident Renzi am Sonntag bei einer Delegiertenversammlung bereits vom Amt des Parteivorsitzenden zurückgetreten. Allerdings nur, um sich beim kommenden Parteikongress, der wegen seines Rücktritts nun wohl schon in wenigen Wochen stattfinden wird, wiederwählen zu lassen. Ein Szenario, das durchaus als wahrscheinlich gilt. Erst Anfang vergangener Woche hatte das Direktorium der Partei diesen Kurs mit 107 Stimmen bestätigt, bei nur 12 Gegenstimmen.

Seinen parteiinternen Gegnern, allen voran dem einstigen Premier Massimo D'Alema und dem früheren Parteichef Pier Luigi Bersani, nutzt Renzis Rücktritt nicht. Im Gegenteil: Sie hatten auf einen späteren Parteikongress gehofft, um sich auf einen Kandidaten gegen Renzi für den Parteivorsitz einigen und diesen in Stellung bringen zu können. Der linke Flügel des PD wettert schon lang gegen Renzi. Vor dem Referendum hatten D'Alema und Bersani sogar eine Wahlempfehlung gegen den 42-jährigen Florentiner ausgesprochen.

Neuwahlszenario

Renzi habe den PD zu einer Einmannpartei gemacht, so der Vorwurf seiner Gegner. Kritik an seinen Reformen des Arbeitsmarkts und des Schulwesens lasse er einfach abprallen. Auch der Gouverneur von Apulien, Michele Emiliano, gehört zum linken Flügel. „Wenn Renzi weiter den Verrückten gibt, was habe ich für eine Alternative?“, soll er zur Möglichkeit einer Abspaltung gesagt haben.

Der Gouverneur der Toskana, Enrico Rossi, bekräftigte, dass auch eine neue parlamentarische Gruppe die Regierung von Ministerpräsident Paolo Gentiloni weiter unterstützen würde. Der ursprüngliche Plan der linken Minderheit war es, das reguläre Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2018 abzuwarten und die Zeit zu nutzen, innerhalb der Partei über deren programmatische Ausrichtung zu diskutieren. Renzi hingegen möchte die Bürger so schnell wie möglich an die Urnen rufen. Er war im Dezember vom Amt des Premiers zurückgetreten, nachdem ein Verfassungsreferendum über die von ihm propagierte Abschaffung des Zweikammernsystems gescheitert war.

Seitdem schwebt über Italien das Szenario von Neuwahlen. Der PD kommt derzeit in Umfragen auf etwa 30 Prozent, wie auch sein stärkster Gegner, die Fünf-Sterne-Bewegung. Bis zu 60 Abgeordnete, so wird in den italienischen Medien spekuliert, könnten aus der Partei austreten: 40 von derzeit 343 PD-Mitgliedern in der Abgeordnetenkammer und 20 von 133 im Senat. Zwischen sechs und zehn Prozent würde eine neue linke Partei bei einer Wahl auf sich vereinen können, prognostizieren Experten. Für den PD käme die Abspaltung einem politischen Selbstmord gleich. „Draußen halten sie uns für verrückt“, sagte Renzi am Sonntag.

Berlusconi will kandidieren

Das Chaos bei den Sozialdemokraten kommt vor allem ihren Gegnern zugute. Der 80-jährige Ex-Premier Silvio Berlusconi bringt sich bereits für eine erneute Kandidatur bei den kommenden Wahlen in Stellung. Er warte nur noch auf den Richterspruch aus Straßburg, sagte er vergangene Woche gewohnt selbstsicher. Berlusconi darf nach dem Urteil eines italienischen Gerichts derzeit nicht für öffentliche Ämter kandidieren. Dagegen hatte er beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geklagt. Er würde wohl für ein rechtes Parteienbündnis aus seiner Forza Italia und der Lega Nord ins Rennen gehen.
Wann in Italien gewählt wird, ist unklar. Vom bisher viel diskutierten Termin am 11. Juni ist man abgerückt. Der PD–Parteikongress mitsamt der Wahl eines neuen – oder alten – Vorsitzenden soll im April oder Mai über die Bühne gehen. Immer öfter wird in den vergangenen Tagen eine Neuwahl am 24. September ins Spiel gebracht, am selben Tag also, an dem auch in Deutschland gewählt wird. Premier Gentiloni sagte zu den Spekulationen um Abspaltung und Neuwahl nur: „In diesem Moment gilt: Je weniger ich sage, desto besser.“

Auf einen Blick

Die italienische Regierungspartei Partito Democratico (PD) steckt in einer schweren Krise. Der linke Parteiflügel rebelliert gegen den bisherigen Parteichef und Ex-Regierungschef Matteo Renzi, der im Dezember nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum als Premier zurückgetreten war. Renzi hat am Sonntag den Parteivorsitz zurückgelegt, will sich aber erneut um das Amt bewerben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2017)

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