Amnesty warnt: "Wir gegen die Anderen" ein globales Phänomen

Proteste gegen die Trump-Regierung.
Proteste gegen die Trump-Regierung.(c) Imago
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Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt in ihrem Jahresbericht vor der "feindseligen Rhetorik" der Regierungen weltweit. Es drohe eine "aggressivere Weltordnung".

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt in ihrem neuen Jahresbericht vor einer globalen Tendenz: einer "feindseligen Rhetorik" von Regierungen - wie etwa von US-Präsident Donald Trump - mit der Tendenz die Gesellschaft spalten, Angst zu verbreiten und Menschenrechte zu gefährden. "2016 stand unter dem Motto 'Wir gegen die Anderen'", so AI-Geschäftsführerin Annemarie Schlack.

Dieses Motto werde dadurch umgesetzt, dass die Regierungen die jeweilige Bevölkerung gegeneinander ausspielen würde. "Ich will, dass uns allen klar ist, dass wenn erst einmal einer Gruppe ein Recht entzogen werden kann, dann ist unser gesamtes Menschenrechtssystem in Gefahr", sagte Schlack am Dienstag bei der Präsentation des Jahresberichts in Wien.

Die "giftige Rhetorik" des US-Präsidenten im Wahlkampf habe einen globalen Trend zu einer auf Spaltung ausgerichteten Politik angefacht. Die Welt sei dadurch "dunkler" und unsicherer geworden. Amnesty bezeichnete Twitter als dessen Instrument der Ausgrenzung: "Es reichen ihm 140 Zeichen um die amerikanische Bevölkerung zu teilen". Es sei dabei erschreckend zu beobachten, wie schnell die Bevölkerung dabei mitmachen würde.

In Russland heiße das Prinzip hingegen "Männer gegen Frauen", kritisierte die Geschäftsführerin, nachdem hier zuletzt die Strafen bei häuslicher Gewalt herabgesetzt wurden.

Es droht eine "aggressivere Weltordnung"

Der Diskurs "Wir gegen die Anderen" sei in Summe ein globales Phänomen, das sich nicht nur in Europa und den USA, sondern weltweit ausbreiten würde, so die NGO. Damit würden infolge auch die Menschenrechte stärker zurückgedrängt. Der Bericht übte scharfe Kritik an US-Präsident Trump, der zuletzt mit seinem - später gerichtlich außer Kraft gesetzten - provisorischen Einreiseverbot für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern eine Politik der Ausgrenzung betreibe.

Laut dem Bericht, der die Situation in 159 Staaten analysiert, wurden in mindestens 23 Staaten Kriegsverbrechen begangen, in 22 Ländern seien Menschen ermordet worden, die sich friedlich für ihre Rechte eingesetzt hatten. Etwa in Honduras, wo die Umweltschützerin Berta Caceres, die für Landrechte der Indigenen kämpfte, umgebracht wurde. Der Bericht ermittelte zudem, dass in 36 Ländern Menschen auf der Flucht illegal in ein Land abgeschoben wurden, in dem sie nicht sicher seien. Als Beispiel nennt die Hilfsorganisation dafür den "Türkei-Deal" der EU. Wie die Organisation letztes Jahr berichtete, schiebe die Türkei täglich Migranten und Flüchtlinge nach Syrien ab. Sie sei daher kein sicheres Drittland.

Die Hilfsorganisation befürchtet, dass sich laufende Konflikte im Jahr 2017 noch weiter verschärfen würden. So würde die Politik "Wir gegen die Anderen" auch in internationalen Beziehungen Form annehmen und den Multilateralismus durch eine "aggressivere Weltordnung" ersetzen. Der UNO-Sicherheitsrat bleibe durch die Rivalität der Vetomächte paralysiert. Die internationale Gemeinschaft habe 2016 bei unzähligen Menschenrechtsverletzungen weggesehen, kritisierte die NGO und nennt dabei den Krieg in Syrien oder den Drogenkrieg auf den Philippinen. "Die große Frage für 2017 wird sein, wie lange die Welt noch zuschaut, bis sie etwas gegen diese Gräueltaten unternimmt," sagte die AI-Geschäftsführerin Österreich.

Anti-Terror-Maßnahmen in Frankreich in der Kritik

Besonders besorgt hat sich Amnesty International über die Folgen der Anti-Terror-Maßnahmen in Frankreich geäußert. AI-Generalsekretär Salil Shetty erinnerte bei der Vorlage des Amnesty-Jahresbericht 2016/2017 am Mittwoch an Frankreichs Ruf als "Wiege der Menschenrechte", der durch die schleichende Erosion der Menschenrechte inzwischen "auf der Kippe" stehe.

Ausnahmsweise veröffentlichte die in London ansässige Organisation den Jahresbericht darum diesmal in Paris. Amnesty wies darauf hin, dass der wegen Terror-Anschlägen verhängte Ausnahmezustand in Frankreich im Laufe des Jahres 2016 viermal verlängert wurde. "Die dadurch möglichen Maßnahmen führten zu einer unangemessenen Einschränkung der Menschenrechte", kritisierte die Organisation. Im Rahmen des Ausnahmezustands hätten das Innenministerium und die Polizei Sondervollmachten. Auf dieser Grundlage habe es 2016 mehr als 4.000 Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss gegeben, mehr als 400 Personen seien unter Hausarrest gestellt worden.

"Die Menschenrechte sind in Frankreichs nationaler Seele seit Jahrhunderten verwurzelt", sagte Shetty. Nun aber stehe dieser Ruf auf dem Spiel. "Wir sind über die Lage hier sehr besorgt, darum machen wir die Vorstellung (des Berichts) hier." Seit der vierten Verlängerung des Ausnahmezustands im Juli 2016 sei es den französischen Behörden ausdrücklich erlaubt, öffentliche Kundgebungen mit der Begründung zu verbieten, dass sie nicht in der Lage seien, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten, stellte Amnesty fest. Dutzende von Demonstrationen seien untersagt worden. Durch den Einsatz von Tränengas, Gummigeschoßen und Schockgranaten der Sicherheitskräfte seien mehrere hundert Menschen verletzt worden.

Kritik an Flüchtlingspolitik Österreichs

Auch die österreichische Flüchtlings- und Asylpolitik wurde kritisiert. Dass die EU und insbesondere Österreich ein Hort der Menschenrechte sei, würde so inzwischen nicht mehr gelten, sagte AI-Generalsekretär Heinz Patzelt am Dienstag bei der Präsentation des Jahresberichts. Als Grund nannte er die Asyl-"Sonderverordnung" und das Polizeiliche Staatsschutzgesetz.

(APA)

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