Wird Syrien in Einflusszonen aufgeteilt?

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SWITZERLAND-SYRIA-CONFLICT-UN-TALKS-DIPLOMACY(c) APA/AFP/PHILIPPE DESMAZES
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Zu Beginn der Genfer Friedensgespräche war die beste aller Hoffnungen, dass der Konflikt eingefroren wird.

Genf/Kairo. Zehn Monate lang herrschte diplomatische Funkstille in Genf, nun wollen Syriens Opposition und Regime wieder verhandeln. Zum Auftakt der Friedensgespräche traf UN-Vermittler Staffan de Mistura die Unterhändler der Konfliktparteien getrennt: Bashar al-Jaafari, Syriens UN-Botschafter, vertrat die Assad-Regierung, Nasr al-Hariri die Opposition.

Der von Russland, dem Iran und der Türkei durchgesetzte Waffenstillstand funktioniert einigermaßen, sodass wieder politische Gespräche starten können. Zuletzt im April 2016 hat de Mistura ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben: eine „neue, glaubwürdige, inklusive Übergangsregierung, die das gegenwärtige Machtarrangement ersetzt“. Schon damals winkte Assad ab und konzedierte maximal eine erweiterte Führung, also alles wie bisher plus ein paar Minister aus der Opposition.

Seitdem ist viel passiert. Durch den Fall von Aleppo hat sich die militärische Lage zugunsten von Damaskus verschoben. Die Rückschläge seiner Gegner sind so gravierend, dass auch de Misturas Mitarbeiter kaum Aussichten auf einen umfassenden Kompromiss sehen. Die Forderung nach einem komplett neuen Machtarrangement für Syrien, dem sich über kurz oder lang auch Diktator Bashar al-Assad hätte beugen müssen, scheint vom Tisch. Stattdessen soll es Gespräche über Regierungsführung allgemein, eine neue Verfassung und anschließende Wahlen geben.

Vielleicht lässt sich dadurch der Bürgerkrieg nach sechs Jahren Horror zumindest in einen eingefrorenen Konflikt verwandeln, der Syrien in Einflusszonen aufteilt und auch der Opposition ihre Restgebiete garantiert. Dazu müssten sich die moderaten Aufständischen von Extremisten wie der al-Nusra-Front distanzieren, was weiteres Blutvergießen bedeutet.

Momentan kontrolliert das Regime ein Drittel des Landes mit den wichtigsten Städten, wo zwei Drittel der verbliebenen Menschen wohnen. Die Opposition hält noch 13 Prozent des Landes mit 12,5 Prozent der Bevölkerung. Ein von Russland während der Konferenz in Astana vorgestellter Verfassungsentwurf sieht unter anderem vor, die lokalen Selbstverwaltungen der gemäßigten Aufständischen zu legitimieren und ihnen eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Zentrum in Damaskus zu geben. Für die Kurden, die 20 Prozent des syrischen Staatsgebiets bewohnen, spricht der Text ebenfalls von einer begrenzten Autonomie.

Anders als in Moskau ist in Washington unter dem neuen US-Präsidenten, Donald Trump, bisher keine Syrien-Strategie erkennbar. In Kasachstans Hauptstadt, Astana, ließ sich die westliche Supermacht durch ihren Botschafter vor Ort vertreten. Auch in Genf verhält sie sich demonstrativ desinteressiert. Dem Weißen Haus geht es offenbar in erster Linie um den Kampf gegen den Islamischen Staat, der in Syrien nach wie vor ein Drittel des Territoriums beherrscht. Militärberater und Spezialkräfte der USA sind bei den Feldzügen gegen Mossul und Raqqa dabei. Das Pentagon erwägt, seine Bodentruppen weiter aufzustocken. (m.g.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2017)

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