Warum Orbán auf Olympische Spiele verzichtet

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HUNGARY-POLITICS-ORBAN(c) APA/AFP/ATTILA KISBENEDEK
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Die neue politische Kraft „Momentum“ treibt den Premier vor sich her.

Budapest. So etwas hat noch niemand geschafft, seit Viktor Orbán in Ungarn regiert: Statt den offenen Kampf mit einem neuen Herausforderer zu riskieren, weicht der Premier der Konfrontation lieber aus. Die Rede ist von einer Studentenbewegung namens „Momentum“ – und von Ungarns Olympia-Bewerbung für das Jahr 2024. Es hätte eine große Erfolgsgeschichte werden sollen, nur noch Paris mit seinen Vorortunruhen und Los Angeles im Lande Trumps waren außer Budapest im Rennen.

Aber jetzt zieht Ungarn seine Bewerbung zurück – weil „Momentum“ innerhalb von vier Wochen allein in Budapest 266.000 Unterschriften sammelte, um eine Volksbefragung zu erzwingen. Die Dynamik ist so sichtbar, dass die Regierung lieber aus dem Ring flieht.

Am 3. März will die Bewegung, die bisher 143 zahlende Mitglieder und 1700 Aktivisten hat, sich als Partei registrieren lassen. „Wahnsinn, welches Engagement die mobilisieren konnten“, sagt ein Budapester Bezirksvertreter der Sozialistischen Partei. Momentum will mit einem ausgearbeiteten Programm „in jeden Ort, in jedes Dorf gehen“, sagte András Fekete-Györ, der Kopf der Bewegung, dem Magazin „Heti Válasz“. Man will wissen, was die Bürger wollen – mehr direkte, plebiszitäre Demokratie im Grunde. Die Herangehensweise spricht viele Nichtwähler an, aber auch desillusionierte Oppositionsanhänger und sogar bisherige Wähler der Regierungspartei. Der nur 28-jährige Fekete-Györ war selbst einer – 2010 wählte er Orbán.

Zu liberal für Ungarn?

Die Bewegung kanalisiert alle Unzufriedenheit mit der Orbán-Regierung, spricht viele Nichtwähler an (das sind 40 Prozent der Wahlberechtigten) sowie vor allem die junge Generation und – überraschenderweise – Rentner. Inhaltlich jedoch dürfte Momentum viel liberaler (für Schwulenehe, Haschischlegalisierung, freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen) sein als die Mehrheitsgesellschaft. Davon könnte Orbán profitieren. (kal)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2017)

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