Warum Macron die besten Chancen hat, Le Pen zu stoppen

Emmanuel Macron
Emmanuel Macron(c) APA/AFP/ERIC CABANIS
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Der linksliberale französische Präsidentschaftskandidat, Emmanuel Macron, stellt die Experten der französischen Politik vor ein Rätsel.

Emmanuel Macron ist ein Phänomen. Wie schafft es der erst 39-Jährige, sich so erfolgreich als Neuheit auf dem Markt der politischen Eitelkeiten zu verkaufen, wo er immerhin schon engster Berater von Noch-Präsident François Hollande und danach dessen Wirtschaftsminister war? Auch sein Programm als Präsidentschaftskandidat, das er bisher erst in groben Zügen skizziert hat, klingt oft nach Déjà-vu. Er stellt die Experten der französischen Politik vor ein Rätsel. Sie glaubten, dass er als Ex-Minister des unpopulären Staatschefs unweigerlich als „Bisheriger“ abgestempelt und diskreditiert sein müsse. Und umgekehrt müsste doch die Tatsache, dass er sich bisher noch nie selbst als Kandidat einer Volkswahl gestellt hat, hinlänglich beweisen, wie unerfahren dieser Ziehsohn des Präsidenten sei.

Auch Macrons Gegner und Konkurrenten nahmen ihn deshalb lange nicht für voll. Doch sie müssen nun feststellen: Keiner zieht so viele interessierte Zuhörer oder bereits überzeugte Fans an wie Macron. Bei jeder seiner Wahlveranstaltungen ist der Saal zu klein und Hunderte oder manchmal sogar Tausende verfolgen das Spektakel des politischen Showmasters draußen auf dem Bildschirm. Dass er als dezidiert pro-europäischer Präsidentschaftskandidat bei seinen Auftritten auch noch von seinen jungen Anhängern die EU-Fahne schwenken lässt, macht die Skeptiker erst recht perplex. Kein Wahlthema galt nämlich in Frankreich so wenig stimulierend wie Europa.

Natürlich zählt sein jugendlicher Charme, seine nicht zu leugnende Dynamik und Begeisterungsfähigkeit. Dabei ist Macron längst nicht der beste Redner unter den gegenwärtigen Konkurrenten der Präsidentenwahl, die am 23. April in die erste Runde geht und am 7. Mai mit der Stichwahl entschieden wird.

Vor allem widerspricht der rasante Vormarsch von Macron, der für sich die politische Mitte beansprucht, allen bisherigen Faustregeln. Das französische Mehrheitswahlsystem hat bisher die aussichtsreichen Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen gezwungen, klar bis radikal Stellung zu beziehen. Nur so kann es ihnen normalerweise gelingen, ihr Lager – links oder rechts – hinter sich zu scharen, um den Sprung in die Stichwahl der zweiten Runde zu schaffen.


Versöhnliche Töne. Macron dagegen gibt sich ausgewogen, versöhnlich. Er will mit Leuten von links und rechts, die guten Willens sind, zusammenarbeiten. Er distanziert sich von den Extremen, die spalten. Viele Wähler haben von der Linken und der Rechten, die sie gleichermaßen enttäuscht haben, genug. Das Zentrum wirkt wie eine neue Offerte.

Das war früher schon die Idee des Zentristen François Bayrou, der drei Mal kandidiert und lediglich Achtungserfolge erzielt hat. Macron versucht es auf neue Weise und hat sichtlich mehr Erfolg. Logischerweise hat sich Bayrou ihm angeschlossen und erklärt sich selbst zu Macrons Mentor.

Bayrou ist dabei nicht der Einzige. Sowohl aus dem Parti Socialiste, wo manche den Linken Benoît Hamon nicht mögen oder für chancenlos halten, wie aus dem bürgerlichen Lager, wo der Konservative François Fillon wegen Scheinbeschäftigungs-Vorwürfen um seine Legitimität bangen muss, bekommt Macron Zulauf. In der Fillon-Affäre eröffnete die Finanz-Staatsanwaltschaft am Freitag ein Ermittlungsverfahren, was den konservativen Kandidaten weiter belasten dürfte.

Gemäßigt und für ein breites Publikum akzeptabel sind auch die Vorschläge, die Macron im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik gemacht hat. Er outet sich als Anhänger einer Haushaltsdisziplin, ohne aber den Staatsfinanzen eine Rosskur verordnen zu wollen wie Fillon. Er möchte, dass der Staat in fünf Jahren 60 Milliarden Euro einspart und die Zahl der öffentlichen Stellen um 120.000 abbaut. Gleichzeitig aber sieht er öffentliche Investitionen von 50 Milliarden Euro vor. Indem er rund 80 Prozent der Mieter die lokale Wohnungssteuer erlassen will, möchte er die Kaufkraft ankurbeln. Im gleichen Sinne ist auch seine Idee, die öffentliche Krankenversicherung nicht über Lohnabzüge, sondern über die Besteuerung aller Einkommen (außer den niedrigsten Altersrenten) zu finanzieren. Nichts daran ist sehr umstürzlerisch. Das Buch, das er zu seiner Kandidatur publiziert hat, trägt dennoch den Titel „Révolution“. Was sich wohl darauf bezieht, in der Wahlkampagne gerade nicht auf radikale Töne zu setzen.

Fakten

Die Franzosen wählen ihren Präsidenten in zwei Wahlgängen. Die erste Runde findet am 23. April statt, der Sieger wird am 7. Mai in einer Stichwahl entschieden.

Letzte Umfragen sehen die Rechtspopulistin Marine Le Pen im ersten Durchgang vorn, sie gilt in der Stichwahl aber als chancenlos. Auf Platz zwei Emmanuel Macron knapp vor Franąois Fillon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2017)

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