Türkei ortet Islamfeindlichkeit hinter deutscher Kritik

Niemand wolle die türkisch-deutschen Beziehungen nachhaltig schädigen, sind sich die Politiker einig.
Niemand wolle die türkisch-deutschen Beziehungen nachhaltig schädigen, sind sich die Politiker einig.REUTERS/Auswaertiges Amt/Thomas Koehler-photothek.net/Handout via Reuters
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Der türkische Außenminister mahnt seinen Amtskollegen, das "feindselige Verhalten" im Streit um türkische Wahlkampfauftritte zu beenden. Auch Berlin bleibt hart: Die Türkei müsse sich in Deutschland an die Spielregeln halten.

Nach einer tagelangen medialen Schlammschlacht deutscher und türkischer Politiker trafen am Mittwoch erstmals der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu und sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel zusammen. Doch von der erhofften Entspannung der Beziehungen im Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland ist wenig zu merken - einen gemeinsamem Auftritt der Minister vor der Presse gab es nicht. 

Cavusoglu verbittet sich nach dem Treffen eine Einmischung Berlins in den türkischen Wahlkampf: Deutschland solle es unterlassen, zu dem für Mitte April geplanten Verfassungsreferendum Position zu beziehen, sagte Cavusoglu am Mittwoch am Rande der Tourismusbörse ITB in Berlin.

Hinter deutscher Kritik an der Türkei sehe er Islamfeindlichkeit, sagte Cavusoglu. Die gegen die Türkei gerichtete Stimmung in Deutschland müsse sich rasch legen. Zugleich zeigte sich Cavusoglu bereit für einen offenen Dialog. Auch Freunde und Verbündete könnten bei vielen Fragen unterschiedlicher Meinung sein. "Aber wir sollten ein feindseliges Verhalten beenden", mahnte er.

Seinem Kollegen Gabriel habe er klargemacht, dass die Türkei "sehr irritiert" darüber sei, dass in Deutschland mehrere Auftritte türkischer Minister untersagt worden seien, sagte Cavusoglu. Dies solle Deutschland künftig unterlassen.

Gabriel: "Vorwürfe dürfen sich nicht wiederholen"

Auch Gabriel machte deutlich: "Vorwürfe wie in den letzten Tagen dürfen sich nicht wiederholen", sagte er. "Es gibt einfach Grenzen, die man nicht überschreiten darf, und dazu gehört der Vergleich mit Nazi-Deutschland", sagte Gabriel. Ausfälle gegen Demokratie und Rechtsstaat verböten sich in Deutschland. "Dies ist das freieste Land, das auf deutschem Boden jemals existiert hat, wir sind eines der freiesten demokratischen Länder der Welt."

Gabriel bezeichnete das Gespräch als gut, ehrlich und freundlich, aber auch "hart und kontrovers in der Sache". "Wir waren uns einig, dass keine der beiden Seiten ein Interesse daran hat, die Beziehungen nachhaltig zu beschädigen", sagte Gabriel. Bei einem Auftritt in Hamburg hatte Cavusoglu am Dienstagabend die Spannungen noch einmal angeheizt: Deutschland verfolge eine "systematische Gegnerschaft zur Türkei", sagte Cavusoglu.

Zusammenstöße zwischen Türken in Deutschland befürchtet

Die politischen Entwicklungen in dem Mittelmeerland dürften jedoch noch in weiterer Hinsicht in Deutschland zu spüren sein: Der deutsche Verfassungsschutz befürchtet gewalttätige Zusammenstöße zwischen PKK-Anhängern und nationalistischen Deutschtürken. "Wir sehen seit Langem, dass die Konflikte in der Türkei auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben", sagte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen am Mittwoch.

Die Bruchlinien zwischen den verschiedenen Lagern in der Türkei bildeten sich spiegelbildlich in Deutschland ab. "Es besteht die Gefahr, dass diese Stellvertreterauseinandersetzungen zwischen PKK-Anhängern und nationalistischen/rechtsextremistischen Türken eskalieren, weil in beiden Szenen ein hohes, schlagkräftiges Gefährdungspotenzial vorhanden ist." Die Kurdische Arbeiterpartei PKK ist in Deutschland wie in der Türkei verboten und als Terrororganisation eingestuft.

Der Verfassungsschutz beobachtet nach eigenen Angaben nicht nur eine Zunahme der Spannungen zwischen den beiden Lagern unter den Deutschtürken, sondern auch einen signifikanten Anstieg der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der Türkei in Deutschland.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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