Polnische Staatsanwälte laden EU-Ratspräsident Tusk vor

Donald Tusk soll in Polen aussagen.
Donald Tusk soll in Polen aussagen.(c) APA/AFP/JOHN THYS (JOHN THYS)
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Tusk sei Zeuge bei Ermittlungen gegen Geheimdienstmitarbeiter, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Es geht um Kontakte zu anderen Geheimdiensten - angeblich ohne Wissen des damaligen Premiers.

Die Warschauer Staatsanwaltschaft hat den Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, zu einer Befragung am Mittwoch vorgeladen. Er sei Zeuge bei Ermittlungen gegen frühere Geheimdienstmitarbeiter, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit.

Die Vorladung erfolgte zwei Tage nach der Ankündigung des polnischen Außenministers Witold Waszczykowski, Polen werde die Arbeit der EU wegen der Wiederwahl von Tusk zum Präsidenten des Europäischen Rates behindern. Staatsanwalt Michal Dziekanski sagte, Tusk müsse der Vorladung Folge leisten. Dessen Sprecher erklärte jedoch, Tusk könne am 15. März nicht nach Warschau kommen, weil er dringende Termine im Europäischen Parlament habe.

Den Beschuldigten werde vorgeworfen, 2010 als führende Mitarbeiter der militärischen Spionageabwehr (SKW) ohne Autorisierung durch den Ministerpräsidenten mit einem ausländischen Geheimdienst kooperiert zu haben, sagte Dziekanski. Zu der Zeit war Tusk polnischer Ministerpräsident. Medienberichten zufolge geht es um Kontakte zum russischen Geheimdienst, insbesondere um einen Informationsaustausch im Zusammenhang mit dem Absturz der polnischen Regierungsmaschine 2010 in Russland.

Ein politisch motivierter Prozess?

Der damalige Chef des Militärgeheimdienstes SKW, General Janusz Nosek, sagte, die Ermittlungen seien politisch motiviert. Tusk sei seinerzeit voll und ganz über die Zusammenarbeit informiert gewesen und habe sie autorisiert.

Der Rechtsliberale Tusk wurde auf dem EU-Gipfel vergangene Woche in Brüssel als Präsident des Europäischen Rates wiedergewählt. Allein Polen stimmte gegen ihn. Tusks Intimfeind, der Vorsitzende der derzeit in Polen regierenden, nationalkonservativen PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski, hatte gegen diese EU-Entscheidung gekämpft. Sein Widerstand hat auch persönliche Gründe: Kaczynski hält Tusk für den Absturz "moralisch verantwortlich", bei dem neben mehreren Regierungsmitgliedern auch sein Zwillingsbruder Lech Kaczynski, der damalige Präsident Polens, ums Leben kam.

Polen liegt aber auch wegen zahlreicher anderer Fragen mit der EU über Kreuz. So hat die EU-Kommission mehrfach kritisiert, die Regierung in Warschau untergrabe die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit. Sie hatte zuvor die Befugnisse des Verfassungsgerichts eingeschränkt und den Versuch unternommen, die Berichterstattung der Presse aus dem Parlament zu behindern.

(APA/Reuters)

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