Erst die sanfte, dann die harte Tour

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Wie kann Europa auf den drohenden US-Protektionismus reagieren? Berlin setzt vorerst auf gute Argumente, droht aber auch schon mit WTO-Klagen und Kapitalkontrollen.

Wien. Von Österreichs Nachkriegskanzler Figl erzählte erst eine Karikatur und später die Legende, er habe die Sowjets mit dem Lied von der Reblaus weichgekriegt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr Tross setzten bei ihrem Besuch im Weißen Haus auf nette Lehrlinge. Ein paar „Azubis“, wie die Deutschen sagen, sollten den unberechenbaren Donald Trump bei einem Runden Tisch mit Wirtschaftsvertretern in sanfte und kooperative Bahnen lenken. Die freundliche Botschaft: Wir Deutschen helfen euch beim Aufbau einer dualen Berufsausbildung, das schafft qualifizierte Jobs, ganz im Sinne von „America First“.

Dann sollten die Konzernchefs von BMW, Siemens und Schäffler dem Businessmann im Präsidentenamt von Boss zu Boss erklären, wie das mit der global vernetzten Wirtschaft funktioniert. Vor allem: Warum Importzölle und der Bruch von Handelsabkommen auf längere Sicht allen schaden. Mit Zahlen und Fakten, am Beispiel BMW: Der Autobauer hat sein größtes Werk nicht in Deutschland stehen, sondern in South Carolina. Die Bayern – und nicht etwa GM oder Ford – sind die größten Autoexporteure der USA. Aber sie brauchen auch, für andere Modelle, eine Fabrik in Mexiko. Und sie sind auf Importe angewiesen. Wenn sich Zulieferteile durch Zölle verteuern, verliert das Werk in Spartaburg an Wettbewerbsfähigkeit, und amerikanische Jobs sind in Gefahr.

SPD schießt ungewohnt scharf

Ob diese Botschaft ankommt, darüber herrschten schon vor der heiklen Mission große Zweifel. Weshalb die deutsche Politik der Kanzlerin auch Munition für eine härtere Gangart mitgab. Die SPD denkt laut über eine Kontrolle des Kapitalverkehrs nach – die USA brauchen fremdes Kapital, um die chronischen Defizite ihrer Leistungsbilanz auszugleichen. Angriffslustig gibt sich auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries: Falls sich der Präsident als „beratungsresistent“ erweise, setze sie „auch auf die Gerichte“. Es wäre ja „nicht das erste Mal, dass Trump vor ihnen scheitert“. Freilich: Amerikanischen Richtern muss sich der US-Präsident beugen. Verletzt Amerika aber die Regeln der Welthandelsorganisation, kann sich das Land einer Strafe entziehen – indem es die WTO verlässt. Für Trump könnte ein negatives Urteil ein willkommener Anlass sein, mit den Wächtern des ungeliebten Freihandels zu brechen. Zumal es um hohe Summen ginge: Das Peterson Institute schätzt die Entschädigungsforderungen wegen verbotener Importbeschränkungen auf bis zu 42 Mrd. Euro.

Trump stellt internationale Verträge generell infrage, weil sie angeblich alle gegen die USA gerichtet seien. Er will sie auch in der Handelspolitik durch bilaterale „Deals“ ersetzen. Was wiederum der deutsche Außenminister, Sigmar Gabriel, deutlich kritisiert: „Das gefährdet die Stabilität unseres Landes“, aber „am Ende auch die Stabilität der USA.“ Die Strategie Berlins ist klar: Nur gemeinsam kann Europa wirksam Paroli bieten. Wenn es um den Handel geht, verweist man auf Brüssel als Ansprechpartner. Das gelte auch für den deutschen Leistungsbilanzüberschuss mit den USA, der Trumps Truppe ein Dorn im Auge ist. Man frage die Amerikaner ja auch nicht nach dem Überschuss von Kalifornien, ihrem wirtschaftsstärksten Bundesstaat, bemerkte Finanzminister Wolfgang Schäuble am Donnerstag süffisant.

Fremdeln am G20-Treffen

Neben ihm saß, mit steinerner Miene, sein neuer US-Amtskollege, Steven Mnuchin. Der weilt gerade in Deutschland, weil Freitag bis Samstag die G20-Finanzminister in Baden-Baden zusammenkommen. Auch dieses Treffen steht im Zeichen des Unbehagens über ein Amerika, das sich vom Mitstreiter zum schwer berechenbaren Abweichler wandelt. Das Symbol dafür: In den Schlusserklärungen dieser Treffen findet sich traditionell ein Bekenntnis zum Freihandel und gegen jede Form von Protektionismus. Bisher eine Selbstverständlichkeit, nun ein diplomatischer Eiertanz – bis zuletzt rang man um eine Formel, der auch die USA noch zustimmen können.

Das nach der Finanzkrise geschaffene Forum hat bei der Regulierung der Finanzmärkte viel vorangebracht. Auch dieser Bindung will sich Trump entziehen, auch hier gilt ihm „America First“: Gelockerte Regeln für den Eigenhandel und die Kapitalanforderungen sollen den US-Banken einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Geldhäuser Europas, wo man sich weiter zur Bändigung des Risikos bekennt, haben das Nachsehen.

Solche Fronten hätte sich noch vor einem Jahr kaum jemand vorstellen können. Auch nicht, dass ein offizieller Vertreter der deutschen Wirtschaft (Anton Börner, Chef des Außenhandelsverbands) einen amtierenden US-Präsidenten als „machtbesessenen“ Familienunternehmer kritisiert, dessen Politik in den „wirtschaftlichen Niedergang“ führe und dem man mit „gnadenlosem Wettbewerb“ drohen müsse. Oder eine deutsche Kanzlerin, die sich vor einem Besuch in Washington Rückendeckung in Peking holt: Per Telefon versicherten sich Merkel und Chinas Präsident Xi Jingping, dass sie gemeinsam für Freihandel werben wollen. Es ist eine Wirtschaftswelt mit neuen Verbündeten – und, trotz aller diplomatischen Floskeln, mit neuen Gegnern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2017)

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