"TTIP mit Japan": Verhandlungsdokumente durchgesickert

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker begrüßt den japanischen Premierminister Shinzo Abe in Brüssel.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker begrüßt den japanischen Premierminister Shinzo Abe in Brüssel.REUTERS
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Das Freihandelsabkommen birgt ähnliche Fallen wie jenes mit Kanada (Ceta): Schiedsgerichte und mangelnde Transparenz. Wegen Trumps Freihandelsskepsis sehen sich Japan und EU als enge Verbündete.

Seit Donald Trump US-Präsident ist, hat sich einiges geändert - Verhandlungsprioriäten beispielsweise. Denn da Trump nicht viel von Freihandelsabkommen hält, sind dessen Handelspartner auf der Suche nach Alternativen zu den USA. Japan und die EU wollen sich also umso schneller auf einen Pakt einigen, der im Gegensatz zu Ceta (EU-Kanada), TTIP (USA-EU) oder TPP (USA und Pazifikstaaten) noch keine medienwirksame Abkürzung hat.

Der erste Besuch von Japans Premierminister Shinzo Abe in Brüssel seit drei Jahren war also auch dazu da, die Verhandlungen voranzubringen, bzw. sich gegenseitig zu vergewissern, dass man einander brauche. Abe und EU-Ratspräsident Donald Tusk sprachen sich gegen Protektionismus aus und riefen zu fairem internationalen Handel auf.

Obwohl die EU-Größen versichert hätten, nach den Ceta-Protesten transparenter zu agieren, sind von den bisherigen Verhandlungen mit Japan kaum Details bekannt. Umso interessanter EU-interne Verhandlungspapiere, die die Globalisierungkritiker von ATTAC der ORF-Onlineredaktion zugespielt haben. Die Papiere zeigen einen Ausschnitt des Verhandlungsstands von September 2016. Viele Bereiche sind ähnlich, wenn nicht sogar wortgleich formuliert, wie in den Verträgen von Ceta und TTIP.

Streit um Schiedsgerichte

Einzelne Kapitel sind laut dem Papier, das im Jänner diesen Jahres vom EU-Rat an die zuständigen Ministerin der EU-Länder weitergeleitet wurde, bereits fast fertig - wie die Regulatorische Zusammenarbeit. Doch vor allem um die schon bei Ceta umstrittenen Schiedsgerichte wird noch gestritten. Laut dem vorliegenden Dokument könnten etwa japanische Insvestoren künftig die ordentliche Justiz umgehen und sich direkt an ein Schiedsgericht des Freihandelpaktes wenden. Das Schiedsgericht entscheidet, ob eine staatliche Maßnahme die Rechte eines ausländischen Investors verletzt. Laut orf.at verpflichten sich EU und Japan gegenseitig dazu, Investoren aus der jeweils anderen Region "gerecht und fair" zu behandeln und "ihnen vollen Schutz und Sicherheit in ihrem Gebiet zu gewähren".

Kritiker solcher Handelsabkommen wie ATTAC und LobbyControl sehen die Autorität nationaler Entscheidungen in Gefahr. Ausländische Investoren könnten durch diese Verträge gegen staatliche Maßnahmen klagen, die sie beim Geldverdienen behindern, aber im öffentlichen Interesse wären. Während Japan das gängige ISDS-System (Investor State Dispute Settlement) als Schiedsgericht vorschlägt, bringt die EU ihr selbst entwickeltes ICS (Investment Court System) ins Spiel - wie es auch bei Ceta vorgesehen ist.

Die EU-Kommission nennt die Verhandlungen mit Japan gegenüber orf.at "transparent". Die Zivilgesellschaft werde eingebunden, EU-Parlament und Nationalregierungen würden die Verhandlungen überwachen. Kritik kommt von ATTAC. Egal mit wem die EU neue Handelsverträge aushandle, „es dominiert stets die gleiche Konzernagenda“, sagte Valentin Schwarz von ATTAC Österreich gegenüber orf.at. Das Abkommen gefährde „Regulierungen im öffentlichen Interesse, beschneidet die Rechte von Parlamenten und BürgerInnen und höhlt die Demokratie aus“. Eine Kritik die auch schon gegen TTIP und Ceta formuliert wurde.

Strategische Partnerschaft

Japan und die EU seien durch ein offenes und faires Handelssystem "tief aneinander gebunden", sagte Tusk. Die gemeinsamen Werte seien eine Grundlage, die beide Seiten stärker machten, "sogar in diesen schwierigen Zeiten". Auch ein strategisches Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan soll so rasch wie möglich ausverhandelt werden.

Abe betonte, Japan und die EU sollten der Welt den Freihandel als Modell zeigen. Japan wolle die EU bei ihren derzeitigen Herausforderungen unterstützen. Beide Seiten hätten Wohlstand auf der Grundlage von Rechtstaatlichkeit aufgebaut, "Hand in Hand mit den Vereinigten Staaten sollten wir die internationale Ordnung aufrechterhalten".

Japan hoffe auch, dass die EU und Großbritannien ihre Partnerschaft im Zuge des britischen EU-Austritts (Brexit) fortsetzen, sagte Abe. Sein Land hoffe auch auf den Zusammenhalt der EU und auf Fortschritte, auch im Bereich der Sicherheit, angesichts der 60-Jahr-Feier der Europäischen Union, so der japanische Premier. Die nächste Verhandlungsrunde zum Handelsabkommen soll es im April in Tokio geben.

>> Zum Artikel auf orf.at

(APA/Red.)

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