"AKK-Effekt" und Angst vor Rot-Rot versetzen Schulz ersten Dämpfer

Martin Schulz
Martin SchulzREUTERS
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Deutschland. Die CDU triumphiert im kleinen Saarland. Im Bund will sie indes mit einem schärferen Flüchtlingskurs punkten. Die Strategie birgt ein Risiko: Angela Merkel selbst.

Berlin. Eine alte Vertraute hat Angela Merkel einen überraschend guten Start ins Superwahljahr beschert: Saarlands CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, Spitzname „AKK“, feierte in Deutschlands kleinstem Flächenstaat einen fulminanten Sieg. Die CDU verbesserte sich dem vorläufigen Ergebnis zufolge von 35,2 auf 40,7 Prozent. Nun stehen die Weichen erneut auf Große Koalition. Für Merkel ist das  wohltuend, auch deshalb, weil Kramp-Karrenbauer wie sie als nüchtern-pragmatisch gilt. "Mini-Merkel" nennen sie die 54-jährige Saarländerin.

Rot-Rotes Szenario als Boomerang

Das Ergebnis ist der erste Dämpfer für den neuen SPD-Chef Martin Schulz. Die Sozialdemokraten kamen nur auf 29,6 Prozent (2012 waren es 30,6). Allerdings war die SPD im Jänner in Umfragen nur bei 24 Prozent gelegen. Damals interessierte sich niemand für die Wahl an der Saar. Dann kam der Hype um Schulz auf Bundesebene. Zugleich liebäugelte die SPD offen mit Rot-Rot im Saarland. Die Abwahl Kramp-Karrenbauers, der beliebtesten Politikerin im Saarland, stand im Raum. Das mobilisierte im Endspurt. Statt des sogenannten Schulz-Effekts gab es einen AKK-Effekt. In der saarländischen SPD räumte man gestern sinngemäß ein, dass der Flirt mit der Linkspartei geschadet habe. Auf Bundesebene ginge sich derzeit – theoretisch – Rot-Rot-Grün aus: Die Union wird davor nun eindringlich warnen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber, zuletzt auch nicht unumstritten, machte gestern den Anfang und bezeichnete das Ergebnis als "klare Absage" für eine Koalition SPD-Grüne-Linkspartei. Und die wiedergewählte Ministerpräsidentin meinte: "Flirtereien mit Rot-Rot, das kommt in diesem Land nicht gut an. Auch das sollte ein Signal an den Bund sein."

Schulz gab sich als guter Verlierer und suchte naturgemäß und im Gegensatz zur Union die Ursache für die Wahlpleite auf Landesebene, in der Popularität Kramp-Karrenbauers. Der Weg ins Kanzleramt sei überdies "kein Sprint", so Schulz. "Heute Abend hat die andere Seite ganz eindeutig ein Tor erzielt", meinte der SPD-Parteichef, der in jungen Jahren von einer Fußballkarriere träumte. Aber das Spiel, so die Botschaft, sei noch nicht vorbei.

Das Duell CDU-SPD überdeckte, dass auch die rechte AfD (6,2%) in den Landtag einzog. Dabei ist das bemerkenswert, weil an der Saar eine Truppe am Start ist, die wegen ihrer Nähe zum Rechtsextremismus sogar die eigene Bundespartei loswerden wollte. Grüne (4,0%) und FDP (3,2%) scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Aus dem kleinen Saarland (rund eine Million Einwohner) lassen sich keine großen Schlüsse für die Bundesebene ziehen. Das Land mit seiner wechselvollen Geschichte an Frankreichs und Luxemburgs Grenze mit seinem „Saarvoir-vivre“ tickt ein wenig anders als der Rest Deutschlands. Und die Linke (12,9%) ist dort wegen ihres Spitzenkandidaten, Ex-Ministerpräsident Oskar Lafontaine, stärker als im Rest von Deutschlands Westen.

Es gab gestern auch eine schlechte Nachricht für Merkel: Eine Umfrage für „Bild“ sah SPD und Union gleichauf, mit je 32 Prozent. Bei den nächsten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (7. Mai) und Nordrhein-Westfalen (14. Mai) liegt der Amtsinhaberbonus bei der SPD. Es sind die letzten Urnengänge vor der Bundestagswahl im September.

Die 2009 und 2013 erprobte Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“ dürfte trotz aller Saarland-Euphorie heuer nicht reichen: Demnach rückt die Union ein Stück nach links, sammelt ein paar Forderungen der SPD ein und schweigt deren andere Themen tot. Heuer aber rückt Martin Schulz die SPD laut nach links, und rechts fischt die AfD. Nach Lesart ihrer Parteifreunde könnte sich Merkels Strategie am 24. September rächen: Sie habe zu viel Raum rechts der Union gelassen.

Das soll sich ändern. Der Wahlkampf der Union dürfte um Migration und innere Sicherheit kreisen. Am Wochenende wurde aus einem Papier des CDU-Ausschusses für Innenpolitik zitiert: „Wir wollen alles dafür tun, dass die Zahl der Flüchtlinge dauerhaft niedrig bleibt“, schreiben die Autoren um den hessischen Innenminister, Peter Beuth. Die Grenzkontrollen sollen „wenn erforderlich“ intensiviert werden und der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, darunter viele Syrer, über März 2018 hinaus ausgesetzt bleiben. Asylverfahren von Migranten, die ihre Identität verschleiern, würden nach Willen der Autoren automatisch enden. Zudem erwägen sie Abschiebungen in Drittstaaten jenseits der Heimatländer.

Dauerbrenner Doppelpass

Wie viel sich am Ende im CDU-Wahlprogramm findet, ist ungewiss. Aber Merkel bewegt sich auch in anderen Feldern. So hatte der Parteitag das Aus für den Doppelpass beschlossen – gegen den Willen Merkels. Als Kompromiss zeichnet sich ein Generationenschnitt ab: Die Einwanderer und ihre Kinder dürfen die doppelte Staatsbürgerschaft behalten, die Enkel müssen sich entscheiden.

Der Kurs der CDU macht wahlstrategisch Sinn: Erstens billigen die Deutschen der Union die höchste Kompetenz beim Thema Innere Sicherheit zu. Zweitens ist die Integrationsfrage Nummer eins in der Kategorie „wichtige Probleme“ (Forschungsgruppe Wahlen). Aber die Strategie birgt auch Risken: Es ist fraglich, ob Merkel als Gesicht einer solchen Kampagne taugen würde. Das Bild der Willkommenskanzlerin“ hat sich verfestigt, obwohl die Regierung in der Asylpolitik immer wieder nachschärft, zuletzt mit einem Entwurf, der Fußfesseln oder Abschiebehaft für Gefährder vorsieht, sowie die Auswertung der Handydaten von Asylwerbern.

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