Bulgarien: Ex-Premier vor dritter Mission

Bojko Borissow
Bojko Borissow STEPHANE DE SAKUTIN / AFP / pict
  • Drucken

Der frühere Regierungschef Bojko Borissow dürfte wieder ans Ruder kommen: Laut Exit Polls hat sich seine konservative Partei deutlich gegen die sozialistische BSP durchgesetzt.

Sofia/Belgrad. Zwei Mal schon war Bulgariens Ex-Premier Bojko Borissow in seiner Amtszeit (2009-13 und 2014 bis Jänner 2017) frühzeitig gescheitert. Nun winkt dem 57-jährigen Chef der konservativen „Gerb“-Partei indes unverhofft früh eine dritte Mission: Erste am Sonntag veröffentlichte Nachwahlbefragungen sahen Gerb bei der vorzeitigen Parlamentswahl mit 32 bis 33 Prozent knapp, aber deutlich vor der sozialistischen BSP, die demzufolge auf 28 bis 29 Prozent der Stimmen gekommen sein soll.

Zwar haben die Sozialisten unter Kornelija Ninowa ihren Anteil gegenüber dem Debakel von 2014 nahezu verdoppeln können, doch hat der bullige Borissow gegenüber der Oppositionslady im bevorstehenden Koalitionspoker nun die besseren Karten in der Hand.
Den Wahlprognosen zufolge ist vermutlich fünf Parteien sicher der Sprung über die Vier-Prozent-Hürde geglückt. Neben dem nationalistischen Bündnis der „Vereinigten Patrioten“ (8,3 bis etwa neun Prozent) und der Partei der türkischen Minderheit DPS (7,1 bis neun Prozent) scheint auch der neuen Populistenpartei „Wolja“ („Wille“) des Unternehmers und „Balkan-Trumps“ Wesselin Mareschki der Einzug in die Volksvertretung in Sofia gelungen zu sein.

Interventionen der Türkei

Bangen muss demnach hingegen der bisher mitregierende bürgerliche Reformblock (RB), den die Nachwahlumfragen nur bei 3,3 bis 4,2 Prozent notierten. Klar gescheitert hingegen scheint mit nur etwas mehr als zwei Prozent die von der DPS im vergangenen Jahr abgesplitterte DOST, deren Wahl die Türkei Bulgariens namhafter türkischer Minderheit empfohlen hatte (rund neun Prozent der etwa 7,2 Millionen Bewohner Bulgariens): Die offene Einmischung der Regierungspartei AKP des türkischen Präsident Recip Tayyip Erdoğan in den bulgarischen Wahlkampf hatte die Beziehungen der beiden zumindest in der Nato vereinten Nachbarstaaten in den vergangenen Tagen stark belastet.
Sollten die Auszählergebnisse die Prognosen der Nachwahlbefragungen bestätigen, wird in Sofia mit einer relativ zügigen Regierungsbildung gerechnet. Am wahrscheinlichsten gilt eine rechtspopulistische Koalition der Gerb mit den Vereinigten Patrioten und Wolja. Mit den Nationalisten saß Borissow bereits bisher im Regierungsboot: Der populistische Parteineuling würde hingegen den bisher mitregierenden Reformblock RB ablösen.

Viele Unregelmäßigkeiten

Obwohl wieder annähernd gleich stark wie Gerb, scheint das Koalitionspotenzial der Sozialisten hingegen merklich beschränkt zu sein. Die auch von diesen umworbenen Patrioten etwa hatten im Wahlkampf erklärt, niemals mit der Türkenpartei DSP koalieren zu wollen – diese aber ist ein traditioneller Partner der Sozialisten.
Überschattet wurde die dritte Parlamentswahl in vier Jahren erneut von zahlreichen Unregelmäßigkeiten. Laut Angaben der Zentralen Wahlkommission war die Zahl der Beschwerden wegen versuchter Manipulationen mit mehr als 500 schon am Nachmittag fast doppelt so hoch wie bei der Parlamentswahl 2014. So wurde der Chef der Wahlkommission in Plewen am Sonntag wegen versuchten Stimmenkaufs verhaftet.

Gegen mehrere Medien, die während des Wahltags schon vor Schließung der Wahllokale ständig aktualisierte Exit Polls auf ihren Facebook-Sites veröffentlichten, erstattete die Wahlkommission Anzeige wegen Verstöße gegen das Wahlgesetz: Die betroffenen Medien sagen hingegen, dass sich das Veröffentlichungsverbot von Exit Polls vor Schließung der Wahllokale nur auf ihre Websites, nicht aber auf Facebook beziehe.
Ex-Präsident Rossen Plewneliew indes hatte vor der Wahl erklärt, dass mehrere Parteien von der Türkei bzw. Russland finanziert würden. Tatsächlich sprachen sich mehrere Parteien im Wahlkampf für die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Russland aus.

Moskau einst „Geburtshelfer“

Nicht nur wegen der anhaltenden und engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland, sondern auch aus historischen Gründen fühlen sich viele Bewohner des osteuropäischen Nato-Staats am Schwarzen Meer noch immer auch – oder vor allem – mit Moskau verbunden. Die Unabhängigkeit und Befreiung von der rund fünf Jahrhunderte währenden Osmanen-Herrschaft verdankte Bulgarien gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht zuletzt nämlich russischer Schützenhilfe.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der Chef der Sieger Partei GERB, Bojko Borissow.
Außenpolitik

Bulgarien nach Wahl vor schwieriger Regierungsbildung

Die Mitte-Rechts-Partei GERB ist erneut die stärkste Kraft. Doch die Sozialisten setzen auf ein Scheitern beim Koalitionsschmieden: Sie wollen selbst in die Regierung.
Bojko Borissow
Außenpolitik

Bulgarien: Borissow ist nach Rücktritt zurück an der Macht

Die Wahlkommission bestätigt: Die bürgerliche GERB von Ex-Ministerpräsident Bojko Borissow hat die Parlamentswahl gewonnen, die absolute Mehrheit aber verfehlt.
BULGARIA-VOTE
Außenpolitik

Bürgerliche gewinnen bulgarische Parlamentswahl

Die bürgerliche Partei GERB hat laut ersten Prognosen rund ein Drittel der Stimmen erreicht. Zweitstärkste Kraft sind die Sozialisten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.