Bulgarien nach Wahl vor schwieriger Regierungsbildung

Der Chef der Sieger Partei GERB, Bojko Borissow.
Der Chef der Sieger Partei GERB, Bojko Borissow.APA/AFP/DIMITAR DILKOFF
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Die Mitte-Rechts-Partei GERB ist erneut die stärkste Kraft. Doch die Sozialisten setzen auf ein Scheitern beim Koalitionsschmieden: Sie wollen selbst in die Regierung.

Die Mitte-Rechts-Partei GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) hat die Parlamentswahl in Bulgarien am Sonntag gewonnen, sie braucht aber Koalitionspartner, um mit Mehrheit in der Volksversammlung regieren zu können. Laut den amtlichen Zwischenergebnissen vom Montag kam die GERB auf 32,6 Prozent der Stimmen und verharrte damit auf dem Niveau der Wahl von 2014.

Die aus der KP hervorgegangenen Sozialisten (BSP) gewannen von 15,4 Prozent auf 27,1 Prozent kräftig hinzu, landeten aber wieder auf Platz zwei. Drei weitere Parteien überwanden die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament, nicht aber die neue Ankara-freundliche Partei der türkischen Minderheit, DOST, die nur auf 2,95 Prozent kam.

Auch der pro-westliche Reformblock, der zuletzt Regierungspartner der GERB gewesen war, stürzte von 8,9 auf drei Prozent und verpasste den Wiedereinzug ins Parlament. GERB-Parteichef Bojko Borissow hatte im Wahlkampf erklärt, er könnte eine Koalition mit den Reformisten und den Vereinten Patrioten bilden. Damit ist dieses Vorhaben mangels Mehrheit gestorben. Dies mache die Bildung einer neuen Regierung zur schwierigen Mission, waren sich Politologen am Montag einig.

Dritte Parlamentswahl binnen vier Jahren

GERB-Chef Borissow war in der Wahlnacht dennoch zuversichtlich, dass Bulgarien schnell eine neue Regierung bekommen werde. "Ich hoffe, dass schnell eine Regierung gebildet wird, die den Erwartungen der Menschen entspricht", sagte Borissow am Abend in der Parteizentrale. Borissow wollte vor Beratungen mit möglichen Koalitionspartnern keine Bedingungen stellen.

Es war die dritte Parlamentswahl in Bulgarien binnen vier Jahren. Sie wurde nötig, weil Borissow nach der Niederlage seiner Kandidatin bei der Präsidentenwahl im November den Rücktritt seiner Regierung einreichte. Derzeit wird Bulgarien von einer Übergangsregierung geführt. Der ärmste EU-Staat übernimmt im Jänner 2018 für sechs Monate die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union, bevor dann Österreich übernimmt.

Die BSP, die schon mit der Unterstützung des Ex-Generals Rumen Radew erfolgreich war, will die Bindung Bulgariens an Russland stärken. Sie hat ihren Stimmanteil nun fast verdoppelt. Eine Große Koalition mit GERB lehnen die Sozialisten ab. "In der Politik gibt es prinzipielle Sachen. (...) Wir sind eine Alternative zur GERB", sagte Sozialisten-Chefin Kornelia Ninowa nach einer Sitzung der Parteiführung. Die BSP will aber eine Regierung bilden, sollte Borissows bei der Regierungsbildung scheitern.

Nationalistisches Bündnis überholt Türken-Partei

Das nationalistische Bündnis Vereinigte Patrioten (WMRO) wurde mit 9,06 Prozent der Stimmen zur drittstärksten politische Kraft und stellte prompt Forderungen: Sein Koalitionspartner müsse die miserablen bulgarischen Renten kräftig erhöhen, erklärte das Mitglied des Bündnisses Iskren Wesselinow am Montag im Staatsradio. Als Partner der Nationalisten käme sowohl die GERB als auch die Russland nahe stehenden Sozialisten infrage. "Es gibt nur eine verbotene Koalition - die mit der DPS", betonte er.

Die DPS (Bewegung für Rechte und Freiheiten) ist die traditionelle Partei der türkischen Minderheit. Die liberale Gruppierung ist nach den Zwischenergebnissen mit gut neun (nach 14,8) Prozent nicht mehr drittstärkste Partei - was sie über Jahre hinweg gewesen war. Dutzende Busse aus der Türkei hatten Wähler mit doppelter Staatsangehörigkeit nach Bulgarien gebracht. Die Nationalisten hatten sich gegen diesen "Wahltourismus" mit Blockaden und Protesten an der türkischen Grenze widersetzt. Die Beziehungen zwischen Sofia und Ankara sind angespannt.

Außenpolitische Richtungswahl

Die neue populistische Wolja (Wille) wurde mit 4,15 Prozent der Stimmen zur kleinsten Parlamentspartei. Nach Mandaten kam GERB auf 96 der 240 Sitze im Parlament (bisher 84), die BSP auf 79 Sitze.

Der Urnengang galt vor allem als außenpolitische Richtungswahl. Während BSP-Chefin Ninowa und Präsident Radew ein Ende der wegen des Ukraine-Konfliktes verhängten EU-Sanktionen gegen Russland und eine engere Zusammenarbeit mit Moskau fordern, tritt Borissow für "pragmatische" Beziehungen zu Moskau ein - und ist ansonsten ein treuer Verfechter von NATO- und EU-Positionen. Bis die neue Regierung steht, wird das Interimskabinett in Sofia weiterregieren. Borissow war von 2009 bis 2013 sowie von 2014 bis 2016 Ministerpräsident, wobei er die Regierungsgeschäfte bis Jänner 2017 trotz Rücktritts weiter führte. Der 57-Jährige könnte nun eine dritte Amtszeit antreten.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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