Russland: Der Mann, der Putin herausfordert

Nach den Demonstrationen wurde Alexej Nawalny zu 15 Tagen Haft verurteilt.
Nach den Demonstrationen wurde Alexej Nawalny zu 15 Tagen Haft verurteilt.(c) REUTERS
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Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny will 2018 bei den Wahlen gegen Präsident Putin antreten. Die Massenproteste vom Wochenende zeigen, dass man ihn ernst nehmen muss.

Moskau/Wien. 15 Tage Haft und umgerechnet 320 Euro kostet Alexej Nawalny sein kleiner Sieg gegen das Regime. Mehr als 60.000 Menschen waren dem Aufruf des Kreml-Kritikers und Oppositionsführers am Sonntag gefolgt und in über 80 russischen Städten gegen Korruption auf die Straße gegangen. Ein Gericht in Moskau war am Montag dann schnell, den Unruhestifter zu Arrest und einer Geldstrafe zu verurteilen. Er war gleich zu Beginn der Proteste in der Hauptstadt festgenommen worden.

Die Strafe dürfte Nawalny anstandslos auf sich nehmen: Ein Jahr vor der Präsidentenwahl, bei der er gegen Staatschef Wladimir Putin antreten will, hat der 40-jährige Rechtsanwalt bewiesen, dass er mit seinen Anliegen Gehör findet. Beobachter waren sich einig, dass die Proteste von Sonntag die größten landesweiten Aktionen seit 2011 waren, als Zigtausende nach den Parlamentswahlen gegen mutmaßlichen Wahlbetrug auf die Straße gingen. Dem Herrn des Kreml wird das kaum gefallen haben. Entsprechend reagierten die Sicherheitskräfte: Allein in Moskau wurden laut Polizei 600 Menschen (meist kurzzeitig) verhaftet, Menschenrechtler sprachen dagegen von mehr als 1000 Festnahmen.

Den Kampf gegen die Korruption hat Nawalny zu seiner Lebensaufgabe gemacht – und trifft damit vor allem in den großen Städten einen Nerv. „Wollen wir weiterhin, dass 88 Prozent der Reichtümer des Landes einem Zehntel der Bevölkerung gehören?“, fragt er. Die Regierungspartei Einiges Russland bezeichnet er schlicht als „Partei der Gauner und Diebe“.

Enthüllung über den Premier

Hatte der Aktivist zunächst in einem Blog auf Korruptionsfälle aufmerksam gemacht, arbeiten in dem Büro seines 2011 gegründeten Fonds zur Korruptionsbekämpfung heute 30 Angestellte, die Papierberge und Computerdateien nach Hinweisen auf Bestechung und Bereicherung durchkämmen. Auf diese Weise hat sich Nawalny mit den mächtigsten Männern des Landes angelegt.

Zu den Personen, denen er öffentlich Korruptionsvergehen vorwarf, gehören der frühere Chef der Eisenbahnen und Putin-Freund Wladimir Jakunin, Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstaatsanwalt Juri Tschaika. Auch vor Putin selbst machte Nawalny nicht halt: Vor einem Jahr beschuldigte er den Präsidenten, mit der Vergabe eines zinsgünstigen staatlichen Kredits an den Petrochemiekonzern Sibur gegen das Antikorruptionsgesetz verstoßen zu haben. Putins Schwiegersohn Kirill Schamalow ist an Sibur beteiligt.

Und erst Anfang März veröffentlichte Nawalny ein 50-minütiges Video, das korrupte Machenschaften von Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew belegen soll: Demnach ist es dem Ministerpräsidenten über ein dubioses Netzwerk von NGOs gelungen, Reichtümer in Russland und im Ausland anzuhäufen. Das Video wurde mehr als zwölf Millionen Mal angeklickt. Und Medwedjew stand im Mittelpunkt der jüngsten Proteste.

Doch noch ist nicht klar, ob Nawalny bei der Präsidentenwahl 2018 überhaupt antreten kann. Mehrfach haben die Behörden zweifelhafte Prozesse gegen ihn angestrengt. Erst im Februar ist der zweifache Familienvater erneut zu fünf Jahren Haft auf Bewährung wegen angeblicher Unterschlagung von Bauholz verurteilt worden, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das vorangegangene Verfahren als unfair eingestuft hatte. Laut russischer Verfassung darf ein verurteilter Straftäter nicht für ein öffentliches Amt kandidieren. Nawalny argumentiert, das gelte für Freiheits-, nicht aber für Bewährungsstrafen.

Dass die Strafe auf Bewährung ausgesetzt wurde, deuteten Beobachter als Zeichen, dass der Kreml noch nicht entschieden hat, wie er auf die Nawalny-Kandidatur reagieren wird. Mit den Massenprotesten vom Wochenende hat der Jurist, der bei der Moskauer Bürgermeisterwahl 2013 auf Anhieb 27 Prozent erzielte, aber gezeigt, dass man ihn ernst nehmen muss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2017)

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