Terror in St. Petersburg: Hinweis auf Selbstmordattentat

Angst und Entsetzen vor dem Eingang der Metrostation Sennaja Ploschdad in St. Petersburg, während die Einsatzkräfte bereits wieder Routine an den Tag legen.
Angst und Entsetzen vor dem Eingang der Metrostation Sennaja Ploschdad in St. Petersburg, während die Einsatzkräfte bereits wieder Routine an den Tag legen.(c) imago/Sergei Konkov
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Bei einem Anschlag auf eine fahrende U-Bahn in St. Petersburg starben mindestens zehn Menschen, eine zweite Bombe in einer Station wurde entschärft. Aus Ermittlerkreisen ist am Abend durchgesickert, dass sich ein 23-Jähriger aus Zentralasien in die Luft gesprengt haben soll.

St. Petersburg. Russlands zweitgrößte Stadt, die Zarenmetropole und Geburtsstadt Wladimir Putins, war in der jüngeren Vergangenheit von Anschlägen verschont geblieben – bis am Montag um 14.40 Uhr, vor der eigentlichen Stoßzeit, in der U-Bahn-Linie 2, zwischen den Stationen Sennaja Ploschtschad und Technologistschesky Institut im Herzen der Stadt, eine rund 300 Gramm schwere Schrapnellbombe detonierte und mindestens zehn Menschen in den Tod riss.

Wollten die mutmaßlichen Terroristen die Grenzen eines Präsidenten aufzeigen, der im Syrien-Krieg seine Macht zugunsten des Diktators Bashar al-Assad ausspielte und in Russland mit aller Repression gegen die Opposition vorgeht – just an einem Tag, an dem er sich selbst in St. Petersburg aufhielt?

Die Nachricht vom Attentat erreichte Wladimir Putin im Konstantin-Palast in Strelna, einem westlichen Vorort, in dem er gern Hof hält. Er musste sie als neue Herausforderung in seinem Anti-Terror-Kampf begreifen, den er seit seinem Amtsbeginn 1999 gegen die islamistischen Rebellen im Nordkaukasus und seit eineinhalb Jahren im Nahen Osten gegen die Milizen des sogenannten Islamischen Staats (IS), der Waffenbrüder tschetschenischer Kämpfer, führt.

Putin hatte gerade eine Rede vor der von ihm lancierten Volksfront gehalten und war dabei, sich auf ein Treffen mit Alexander Lukaschenko, dem weißrussischen Präsidenten, vorzubereiten. Dabei sollte es um den Konflikt um weißrussische Schulden für Öl und Gas im Ausmaß von 500 Millionen US-Dollar gehen – und darüber hinaus um die für Putins Geschmack eigenmächtige Politik des autokratischen Verbündeten aus Minsk. Am Abend verlautete, der Disput sei gelöst.

Hinweis auf Selbstmordattentat

In einer ersten Stellungnahme, zugeschaltet aus dem Konstantin-Palast, wollte der russische Präsident erst keine Ursache für die Katastrophe ausschließen. Zugleich sollte die Reaktion signalisieren, dass die Behörden die Situation im Griff hätten. Die ersten Indizien deuteten indessen rasch auf ein Terrorattentat, und der Generalstaatsanwalt und später auch Premier Dmitrij Medwedjew bestätigten den Verdacht.

Am späten Abend wurde dann bekannt, dass offenbar ein Selbstmordattentäter am Werk war. Das erfuhr die russische Nachrichtenagentur Interfax aus Justizkreisen über die vorläufigen Ermittlungen. Demnach hätten die Behörden auch bereits die Identität des mutmaßlichen Selbstmordattentäters herausgefunden: Es soll sich um einen 23-Jährigen aus Zentralasien handeln. Der junge Mann habe die Bomben in einem Rucksack in die Metro gebracht. Er sei mit radikalen Islamisten in Verbindung gestanden. Offiziell bestätigt wurden diese Informationen bisher nicht. Ein Mann, der von Überwachungskameras aufgenommen worden war und der unter Verdacht stand, mit der Explosion zu tun zu haben, wandte sich unterdessen an die Polizei und sagte laut Interfax aus, er habe mit der Bluttat nichts zu tun. Präsident Putin traf unterdessen mit Vertretern der Sicherheitsbehörden zusammen und legte Blumen an der U-Bahn-Station, wo es zu der Explosion kam, nieder.

In der U-Bahn, die täglich drei Millionen Passagiere befördert, hatten sich am Montagnachmittag Szenen von Panik abgespielt, nachdem die Bombe hochgegangen war. Fenster und Türen barsten, Metallteile flogen durch die Waggons, Verletzte wälzten sich blutüberströmt auf dem Boden oder krochen unter einer Staubwolke hervor. In einem der Waggons waren Passagiere eingeschlossen, sie hämmerten verzweifelt gegen die Fenster. Die Stadtverwaltung schloss alle U-Bahn-Linien, Rettungswagen jagten mit Sirenen durch die Innenstadt, und über dem Tatort kreisten die Hubschrauber. Splitter und Metallteile verletzten rund 50 Menschen.

Bisher meist Moskau als Terror-Ziel

Der Terror konzentrierte sich bisher vorwiegend auf Moskau und stand im Zusammenhang mit dem Tschetschenien-Krieg. Vor sieben Jahren hatten zwei Selbstmordattentäterinnen Anschläge auf die U-Bahn in der russischen Hauptstadt ausgeführt, die 38 Menschenleben forderten. 2004 gab es bei zwei Anschlägen in der Moskauer Metro 48 Todesopfer, und bei einer Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater im Jahr 2002 starben 129 Menschen.

Über die Jahre hinweg bekräftigten die Islamisten im Kaukasus ihre Terrorwarnungen gegen Russland. Der Kreml versuchte im Gegenzug, mit einer Politik der harten Hand die Jihadisten zu bekämpfen und internationale Partner wie die USA für eine Anti-Terror-Allianz zu gewinnen. Der Syrien-Einsatz erhöhte die Risken für einen Vergeltungsschlag auf russischem Territorium.

Die Presse Grafik

(vier/Ag./Red.)

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