Nach Chemiewaffenangriff: Opfer in syrischem Spital bombardiert

Ein Sanitäter mit einer Sauerstoffmaske.
Ein Sanitäter mit einer Sauerstoffmaske.REUTERS
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Bei einem Luftschlag in der Rebellen-Provinz Idlib sterben laut Beobachtern mindestens 58 Menschen an Giftgas - später wurde die Klinik mit den Überlebenden bombardiert.

In Syrien sind bei einem mutmaßlichen Giftgasangriff auf die Stadt Khan Sheikhoun in der nordwestlichen Provinz Idlib, einer Rebellen-Hochburg, Beobachtern zufolge mindestens 58 Menschen getötet worden - nur wenig später sei das Spital, in dem Ärzte um das Überleben zahlreicher Opfer kämpften, bombardiert worden, berichtete ein AFP-Reporter. Ein Teil des Gebäudes sei dabei zerstört worden.

Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Dienstag, bei den ursprünglichen Luftangriffen seien neun Kinder ums Leben gekommen und mehr als 60 Menschen verletzt worden, darunter auch Frauen und Kinder. Die Gruppe zitierte Ärzte, die von Anzeichen eines Gasangriffs sprachen. Demnach mussten viele Menschen würgen oder fielen in Ohnmacht. Einige hätten Schaum vor dem Mund gehabt. Der Zustand vieler Verletzter sei ernst. Die Beobachtungsstelle äußerte sich zunächst nicht dazu, welches Gift bei dem Angriff eingesetzt wurde.

Die russischen Streitkräfte haben jegliche Verantwortung für den mutmaßlichen Giftgas-Angriff in Syrien zurückgewiesen. In der betroffenen Region habe die russische Luftwaffe keinerlei Bombenangriffe geflogen, teilte das Verteidigungsministerium am Dienstag in Moskau mit.

Auch Syriens Armee selbst weist den Vorwurf zurück. Die syrische Armee besitze überhaupt keine Chemiewaffen mehr, sagt ein General der Regierungsstreitkräfte. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Syriens Armee in dem sechsjährigen Bürgerkrieg Giftgas benutzt. Erst im vergangenen Monat war ein Bericht der UNO-Menschenrechtskommission zu dem Schluss gekommen, dass Regierungskräfte in den vergangenen Monaten mehrfach Gebiete von Rebellen mit Chlorgas bombardierten.

Im Syrien-Konflikt haben sowohl die Regierung als auch die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bereits Giftgas eingesetzt, wie eine Untersuchungskommission der UNO in einem Bericht festhielt. Die Regierung hat die Vorwürfe allerdings stets zurückgewiesen. Neue Sanktionen gegen Damaskus wegen des Einsatzes von Giftgas scheiterten Ende Februar im UNO-Sicherheitsrat am Veto Russlands und Chinas. 

Der oppositionsnahe Fernsehsender "Orient News" berichtete, bei den Luftangriffen seien 50 Menschen getötet und mehr als 150 verletzt worden. Den Beobachtern zufolge bombardierten syrische oder russische Flugzeuge am Morgen die Stadt. Syriens Regierungstruppen fliegen dort mit der Unterstützung Russlands Luftangriffe auf Stellungen der Aufständischen.

(c) APA

"Nur politische Lösung kann Leid beenden"

Am Dienstag hat mit einem Aufruf zu humanitärer Hilfe für Syrien in Brüssel ein Treffen von 70 Staaten und Organisationen begonnen. "Es ist unsere moralische Pflicht als internationale Gemeinschaft, unserer Verantwortung gegenüber dem Volk Syriens so lange wie nötig nachzukommen", sagte der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Christos Stylianides bei der Eröffnung der Konferenz. Zugleich betonte er: "Es gibt keine humanitäre Hilfe für diese Krise. Nur eine politische Lösung kann das Leid beenden."

Die Konferenz will unter anderem über die Umsetzung der bei der Geber-Konferenz von London im Februar 2016 zugesagten Hilfen im Wert von 12 Milliarden US-Dollar sprechen. Stylianides bedauerte, dass es "unter den tragischen Umständen" sehr schwer sei, internationale Hilfe nach Syrien zu bringen. Der Zugang zur Bevölkerung habe "wegen fortgesetzter Behinderungen durch alle Seiten" einen neuen Tiefpunkt erreicht. Es sei wichtig, die humanitäre Hilfe so wirksam wie möglich zu machen.

UNO warnt vor Engpässen bei Flüchtlingsversorgung

Frankreich hat eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats beantragt. Das Außenministerium in Paris erklärte am Dienstag, es handle sich um einen "besonders schwerwiegenden Chemiewaffenangriff" mit vielen Opfern. Außenminister Jean-Marc Ayrault betonte, der Einsatz von Chemiewaffen sei "ein neues Zeugnis der Barbarei, der das syrische Volk seit Jahren ausgesetzt ist".

Zuvor hatte die UNO vor massiven Engpässen bei der Versorgung von Millionen Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegsland gewarnt. Von notwendigen 4,6 Milliarden Euro für die Unterstützung von Flüchtlingen in Nachbarländern Syriens in diesem Jahr seien bisher erst 433 Millionen Euro bereitgestellt worden. Das erklärten das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und das Entwicklungsprogramm UNDP am Dienstag in Genf. Dies seien "nur neun Prozent von dem, was nötig ist".

"Ohne zusätzliche Finanzierung werden alle Bereiche der Unterstützung in diesem Jahr beschnitten", erklärten die UNO-Organisationen im Namen von 240 internationalen und nationalen Partnerorganisationen und den Regierungen der Aufnahmeländer rund um Syrien. Sie zeigten sich "äußerst besorgt", da Hilfsprogramme zur Versorgung mit Nahrungsmitteln und Bargeld ab Mitte des Jahres "verringert oder gestrichen" werden müssten. "Dies stellt die Stabilität und Sicherheit in der Region in Frage."

Auch im Ministerrat war die Flüchtlingshilfe für Syrien und den Irak heute Thema: Er gab zwei Millionen Euro für Syrien und den Irak frei.

Lesen Sie mehr in unserem Dossier: "Wer in Syrien Krieg führt - und warum".

(APA/Reuters)

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