Moskau verurteilt US-Luftangriff in Syrien als "gedankenlos"

Tomahawk-Rakete, die von der USS Ross abgefeuert wird
Tomahawk-Rakete, die von der USS Ross abgefeuert wirdAPA/AFP/US NAVY/FORD WILLIAMS
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Nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff auf Khan Sheikoun attackierten die USA erstmals Syriens Regime. Russland beendet eine Vereinbarung über die Vermeidung von Zusammenstößen im syrischen Luftraum. Es seien neun Zivilisten, darunter vier Kinder, getötet worden, berichtet Damaskus.

77 Tage ist US-Präsident Donald Trump im Amt - und er entschied sich bereits für eine militärische Option gegen das Regime des syrischen Machthabers Bashar al-Assad: Die USA haben von den im östlichen Mittelmeer stationierten Kriegsschiffen "USS Porter" und "USS Ross" 59 Marschflugkörper des Typs Tomahawk auf die Luftwaffenbasis Shayrat des syrischen Regimes abgefeuert.

Es handelt sich dabei um jenen Flugplatz, von dem aus der mutmaßliche Giftgasangriff auf die Stadt Khan Sheikoun mit mehr als 80 Toten am Dienstag begonnen haben soll, die am Freitag laut Augenzeugen erneut bombardiert worden sein soll. Es war das erste Mal, dass die USA in dem seit sechs Jahren andauernden Bürgerkrieg Syriens Regierungstruppen attackierten, bisher hatten sie sich auf den Kampf gegen den IS konzentriert.

Das Pentagon teilte mit, dass Flugzeuge, Start- und Landebahnen sowie Treibstofflager im Visier des Angriffs gewesen waren. Es seien 15 Militärflugzeuge zerstört worden, berichtet das Militärmagazin "Jane's Defence". Zudem könne die kurzfristige Verlegung von elf Kampfjets vor dem Militärschlag darauf hindeuten, dass das syrische Regime Hinweise erhalten habe. Nach Angaben der syrischen Armee seien sechs Soldaten getötet worden. Zudem seien in umliegenden Dörfern nach einem Bericht der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana neun Zivilisten getötet worden. Unter ihnen seien vier Kinder, meldete die Agentur am Freitag. Sieben weitere Menschen seien verletzt und Häuser schwer beschädigt worden.

Luftwaffenbasis Shayrat in Homs.
Luftwaffenbasis Shayrat in Homs.DigitalGlobe

Dabei hatte Trump noch als Privatmann und Unternehmer jahrelang gegen seinen Vorgänger Barack Obama gewettert: "Noch einmal, an unseren sehr dummen Anführer, greifen Sie Syrien nicht an", schrieb Trump im September 2013 auf der Kurznachrichtenplattform Twitter. Denn dann könnten "viele sehr schlimme Sachen passieren". Obama hatte damals Assad mit Luftangriffen gedroht, sollte er Chemiewaffen gegen das eigene Volk einsetzen. Assad überschritt Obamas "rote Linie", der damalige US-Präsident entschied sich aber gegen einen Militäreinsatz.

Trump: "Blutbad und Schlachten in Syrien" beenden

Russland signalisierte Syriens Machthaber Bashar al-Assad am Freitag seine Unterstützung. Nach dem "Angriff gegen einen souveränen Staat", wie Präsident Wladimir Putin den Luftschlag bezeichnete, setzte Moskau eine mit den USA geschlossene Vereinbarung über die Vermeidung von Zusammenstößen im syrischen Luftraum aus. Zusätzlich solle zum Schutz von Syriens "empfindlichster Infrastruktur" schnellstmöglich eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden, um die Wirksamkeit der Luftabwehr zu stärken", erklärte der Sprecher der russischen Streitkräfte, Igor Konaschenkow, am Freitag vor Journalisten.

Bisher hatten beide Länder Daten über Flugbewegungen ausgetauscht, um Kollisionen zu verhindern. Das russische Außenministerium bezeichnete den US-Luftschlag gegen den syrischen Luftwaffenstützpunkt als "gedankenlos". Er sei "ein Akt der Aggression, der auf einem absolut erfundenen Vorwand basiert", sagte Außenminister Sergej Lawrow am Freitag. Die bestehenden Probleme würden dadurch verschärft. Er hoffe, dass das US-Vorgehen den Beziehungen zu Russland keinen "irreparablen Schaden" zufüge. Mit dem Vorfall müsse sich der UNO-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung befassen.

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US-Präsident Donald Trump hatte den Angriff am Freitag in den frühen Morgenstunden persönlich angeordnet - nur kurze Zeit, nachdem er Chinas Staatschef Xi Jinping bei einem Staatsdinner empfangen hatte. In einem Pressestatement in seinem Privatdomizil Mar-a-Lago rief er die Weltgemeinschaft dazu auf, "das Schlachten und das Blutbad" in Syrien zu beenden. Assad habe "tödliches Nervengas" gegen wehrlose Zivilisten eingesetzt, so Trump weiter. Es sei ein "lebenswichtiges nationales Sicherheitsinteresse" der USA, die Verbreitung und Anwendung von Chemiewaffen zu verhindern, betonte er.

Pentagon spricht von einmaligem Ereignis

Wenig später betonte ein Pentagon-Vertreter, dass die Zerstörung der Luftwaffenbasis nicht der Auftakt für eine große Militärintervention der USA in Syrien sei. Es habe sich um ein "einmaliges" ("one-off") Ereignis gehandelt. Es gebe keine Pläne für eine weitere Eskalation der Feindseligkeiten.

Die Führung in Damaskus verurteilte den Angriff als "dumm und unverantwortlich". Das Verhalten der Vereinigten Staaten offenbare nur deren "Kurzsichtigkeit und politische und militärische Blindheit für die Realität", erklärte das Büro Assads am Freitag. "Die syrische Führung und die syrische Politik werden sich nicht verändern", sagte der Gouverneur von Homs, Talal Barazi. Die US-Angriffe würden nur den "Terroristen" nützen. Denn die in Al-Shayrat stationierten Flieger seien eine wichtige Stütze im Kampf gegen die Jihadistenmiliz in der Region Palmyra.

US-Kriegsschiffe feuerten auf den Luftwaffenstützpunkt in Shayrat.
US-Kriegsschiffe feuerten auf den Luftwaffenstützpunkt in Shayrat. APA

Das Oppositionsbündnis Syrische Nationale Koalition hingegen begrüßte die Angriffe als "sehr wichtige Reaktion". "Dies sollte der Anfang davon sein, dem (syrischen) Regime zu sagen, dass es nicht ungestraft bleiben kann", sagte Ahmed Ramadan am Freitag in Istanbul.

USA: Assad behielt Chemiewaffen zurück

Einmal mehr wies Assad jede Verantwortung für den Giftgasangriff zurück. "Ich betone, dass wir diese Art von Waffen nicht eingesetzt haben und nicht einsetzen werden, weder gegen Zivilisten noch gegen Terroristen", sagte Assads Außenminister Walid al-Muallim am Donnerstag. US-Geheimdienste vermuten, dass Assad einige Chemiewaffen zurückbehalten hat, die er nach einem Abkommen aus dem Jahr 2013 eigentlich hätte aushändigen müssen.

Dem Pentagon zufolge wurden auf der Luftwaffenbasis auch russische Soldaten vermutet. Es habe daher im Vorfeld des Angriffs "zahlreiche" Kontakte mit Moskau gegeben, sagte Pentagon-Sprecher Jeff Davis. Jene Teile der Basis seien ausgespart worden, in denen sich vermutlich russische Soldaten aufhielten. US-Regierungsangaben zufolge hat Washington mehrere Staaten im Vorfeld von dem Angriff informiert. Auch die Nato habe Bescheid gewusst, sagte eine Bündnissprecherin am Freitag.

Eine Tomahawk feuert von der USS Ross ab.
Eine Tomahawk feuert von der USS Ross ab.REUTERS

(APA/AFP/dpa/Reuters/red.)

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