Weitere Festnahme nach Lkw-Anschlag in Stockholm

Ein Polizist legt Blumen in der Nähe des Tatortes in Zentral-Stockholm nieder.
Ein Polizist legt Blumen in der Nähe des Tatortes in Zentral-Stockholm nieder. Reuters
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Nach dem Lkw-Anschlag in Stockholm hat die Polizei am Sonntagmorgen sechs Personen unter Terror- und Mordverdacht festgenommen. Der mutmaßliche Attentäter sollte offenbar abgeschoben werden.

Nach dem Lkw-Anschlag von Stockholm gehen die Behörden einem möglichen islamistischen Hintergrund nach. Der mutmaßliche Attentäter, ein 39-jähriger Usbeke, sei ein IS-Sympathisant, der abgeschoben werden sollte, sagte Polizeichef Jonas Hysing am Sonntag in Stockholm. Die Polizei nahm indes sechs weitere Menschen in Gewahrsam, ein Festgenommener wurde formell als Verdächtiger festgesetzt. Zu dessen Verbindungen zu dem mutmaßlichen Attentäter machte sie zunächst keine Angaben.

Wenige Stunden nach der Tat am Freitag war der Usbeke festgenommen worden. "Wir wissen, dass er Interesse an extremistischen Organisationen wie dem IS gezeigt hat", sagte Hysing. 2014 habe der Usbeke einen Antrag auf Bleiberecht in Schweden gestellt, der im Juni 2016 abgelehnt worden sei. Im Dezember sei ihm dann eine Frist von vier Wochen gesetzt worden, das Land zu verlassen, sagte Polizeichef Hysing. "Im Februar 2017 wurde der Fall an die Polizei übergeben, die die Anweisung umsetzen sollte. Allerdings war der Betroffene abgetaucht."

Die Staatsanwaltschaft legt dem Usbeken nach eigenen Angaben "terroristische Tötungen" zur Last. Der Geheimdienst fahndete nach "möglichen Komplizen oder Netzwerken, die in die Attacke verwickelt sein könnten". Der Angreifer war am Freitagnachmittag im Zentrum der schwedischen Hauptstadt mit einem gestohlenen Lkw durch eine Einkaufsstraße gerast und dann in das Kaufhaus "Ahlens" gekracht. Er tötete vier Menschen, 15 weitere wurden verletzt. Zehn von ihnen wurden am Sonntag weiterhin im Krankenhaus behandelt, vier von ihnen warne in "ernstem Zustand".

Löfven mahnt konsequente Abschiebepraxis ein

Nach dem Lkw-Anschlag von Stockholm dringt Schwedens Regierungschef Stefan Löfven auf eine konsequentere Abschiebepraxis. Dem mutmaßlichen Attentäter war nach Behördenangaben 2016 eine Aufenthaltsgenehmigung versagt worden. Er hätte das skandinavische Land verlassen müssen, tauchte aber unter. "Das frustriert mich", sagte der Sozialdemokrat Löfven am Sonntag bei einem Kongress seiner Partei in Göteborg. Ein Nein müsse eine Abschiebung zur Folge haben. "Wir müssen die Möglichkeiten verbessern, das durchzusetzen."

Stockholm setzt Zeichen gegen Gewalt

Nach dem Anschlag haben am Sonntag tausende Menschen in Stockholm ein Zeichen gegen Gewalt und Terror gesetzt. Bei einer Kundgebung auf einem zentralen Platz in der schwedischen Hauptstadt gedachten sie am Sonntag der vier Todesopfer mit einer Schweigeminute. Am Montag soll es eine landesweite Schweigeminute geben. In der Nähe des Anschlagsortes in Stockholm versammelten sich am Sonntagnachmittag Tausende zu einer "Liebes-Kundgebung". Um 14.53 Uhr, der Uhrzeit des Anschlags vom Freitag, war es auf dem Platz komplett still. Viele hielten sich an den Händen und weinten.

Sie Trauerstiege am Sergels torg.
Sie Trauerstiege am Sergels torg.Reuters

Die Polizei äußerte sich am Sonntag erstmals zur Herkunft der Getöteten: Es handle sich um zwei Schweden, einen Briten und einen Belgier, deren Familien inzwischen informiert worden seien. Unter den Todesopfern ist auch ein elfjähriges schwedisches Mädchen, das gerade von der Schule kam. Am Wochenende herrschte in Stockholm tiefe Trauer. Die Flaggen am Königspalast, am Regierungssitz, am schwedischen Parlament und am Stockholmer Rathaus wurden auf Halbmast gesetzt. Für Sonntagnachmittag war eine Gedenkkundgebung geplant.

"Wir wissen, dass das Ziel solcher Attacken ist, Angst und Hass zu verbreiten", sagte Schwedens Regierungschef Stefan Löfven, als er am Samstag am Tatort Blumen niederlegte. Die Schweden hätten nach dem Anschlag aber Stärke bewiesen und sich gegenseitig unterstützt.

Kronprinzessin Victoria besuchte den Ort des Anschlags im Zentrum der Hauptstadt. "Ich fühle eine unglaubliche Traurigkeit und Leere", sagte die 39-Jährige. Gleichzeitig beschwor sie die Solidarität der Schweden: "Das wird uns auf gewisse Art noch stärker machen." Ihr Vater König Carl XVI. Gustaf, der vorzeitig von einer Brasilienreise zurückgekehrt war, trat in Stockholm vor die Presse. "Die Fürsorge, die die Menschen untereinander zeigen, zeigt die Kraft unserer Gesellschaft", sagte er. Es gebe viel mehr Menschen, die helfen wollten, als jene, "die uns schaden wollen".

Grenzkontrollen für die nächsten zehn Tage

Die schwedische Polizei will nach der Tat weiter verstärkt Präsenz zeigen. Zehn Tage lang sollen außerdem alle Ausreisenden an den Grenzen kontrolliert werden. Man könne noch nicht ausschließen, dass mehrere Menschen an der Tat beteiligt gewesen seien, sagte Reichspolizeichef Dan Eliasson am Samstag.

(APA/dpa)

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