Ein rätselhaftes Attentat und eine Wahl

Anschlag in Dortmund
Anschlag in Dortmundimago/Uwe Kraft
  • Drucken

Nach Explosionen am BVB-Teambus scheint eine erste Spur im Sand zu verlaufen. Die Kanzlerin indes gibt den Behörden im rot-grünen NRW eine Breitseite mit. Es ist Wahlkampf.

Berlin/Dortmund. Abdul Beset A. scheint ein hochgefährlicher Mann zu sein. Daran lässt die gestern verbreitete Erklärung der Bundesanwaltschaft kaum Zweifel. Der 26-jährige Iraker soll in seiner Heimat ein zehnköpfiges IS-Kommando angeführt haben, das sich auf die Vorbereitung von Erpressungen, Entführungen und Tötungen verstand. Anfang 2016 reiste A. in Deutschland ein. Der Kontakt zu IS-Mitgliedern riss aber nicht ab. Einige Stunden nach dem Anschlag am Dienstag auf den BVB-Teambus mit zwei Verletzten wurde A. in Wuppertal aus dem Verkehr gezogen und gestern Haftantrag gestellt.

Bloß: Mit dem Grund seiner Festnahme, dem Anschlag in Dortmund, hatte der Iraker möglicherweise genauso wenig zu tun wie ein zwischenzeitlich verdächtigter Deutscher (28). Es gebe „bisher keine Belege“ für eine Beteiligung des Irakers, so die Bundesanwaltschaft gestern. A. soll aber wegen mutmaßlicher IS-Mitgliedschaft hinter Gitter. Die von der Bundesanwaltschaft mitgeteilten Details über die Vita des Iraker legen nahe, dass er schon länger im Visier der Behörden stand. Berichten zufolge wurde er auch abgehört. „Der Sprengsatz ist fertig“, soll ihm ein Anrufer erklärt haben. Nach den Explosionen in Dortmund erfolgte der Zugriff.

„Der IS verhandelt nicht“

Zumal man sich in Nordrhein-Westfalen (NRW) keine Blöße geben will und es ja diese drei wortidenten islamistischen Bekennerschreibenam Tatort gab. Über diese Texte beugt sich in diesen Tagen die halbe Republik, Experten werden endlos zitiert und durch Talkshows gereicht. Der Befund ist immer ähnlich. Irgendetwas stimme nicht. Der IS verbreite seine Bekennerschreiben im Internet, nicht auf Papier, heißt es dann. Die vielen orthografischen Fehler könnten absichtlich eingebaut worden sein. Um den Verdacht auf Ausländer zu lenken. Die kleinteiligen Forderungen, etwa nach Abzug deutscher Tornados, seien unüblich. „Der IS verhandelt nicht“, sagte gestern der oberste Verfassungsschützer in NRW, Burkhard Freyer. Es fehlten auch arabische Floskeln. Die Ermittlungen laufen in alle Richtungen, erklärte daher NRW-Innenminister Ralf Jäger erneut. Im Blick sind Links- wie Rechtsradikale, Islamisten und gewaltbereite Fans.

Denn in allen vier Feldern gibt es Auswüchse in NRW. Jäger ist vor der Landtagswahl am 14. Mai die Achillesferse der in Umfragen führenden SPD. Seit den Übergriffen in der „Kölner Silvesternacht“ und danach dem Berlin-Anschlag mit einem Attentäter, der (auch) in NRW lebte, hat die Opposition Jäger im Visier. Um den Schwachpunkt „Innere Sicherheit“ in NRW weiß auch Angela Merkel. In einem gestern erschienenen (aber vor dem Anschlag geführten) Interview mit der Funke Mediengruppe stellt die Kanzlerin nicht nur einen milliardenschweren Geldsegen für strukturschwache NRW-Kommunen in Aussicht, sondern klagte auch über Mängel in der Terrorabwehr: In NRW gebe es anders als in Bayern keine Schleierfahndung.

Merkel im Wahlkampfmodus

Die Kanzlerin hat auf Angriffsmodus umgeschaltet, zumal die NRW-Wahl der letzte Test vor dem Urnengang auf Bundesebene ist und dort jeder fünfte deutsche Wahlberechtigte lebt. Es begann schon auf dem Landesparteitag in Essen. Ungewöhnlich scharf attackierte Merkel die rot-grüne Regierung, empörte sich über Staus, die länger wie von „hier bis zum Mond“ seien, über die vielen Wohnungseinbrüche und über Ralf Jäger.

Zu Ostern wandert die Kanzlerin auf der Kanareninsel La Gomera. Eine Verschnaufpause. Danach plant sie gleich sieben Wahlkampfauftritte in NRW.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

BVB-Innenverteidiger Marc Bartra ist einer von zwei Verletzten nach dem Anschlag: Er brach sich die Speiche im Handgelenk und musste operiert werden.
Weltjournal

Ein Anschlag, der zu Geld werden sollte

Es ist ein beispielloser Fall in der Kriminalgeschichte: Ein 28-jähriger Deutsch-Russe soll die Bomben neben dem Teambus von Borussia Dortmund gezündet haben, weil er auf einen Absturz des BVB-Aktienkurses gewettet hatte.
Außenpolitik

BVB-Attentäter wollte Millionengewinn machen

Die Polizei nahm den 28-Jährigen in Baden-Württemberg fest. Er wollte offenbar durch das Attentat einen Kurssturz der Aktie des Fußballvereins auslösen und damit Geld machen.
Fototermin am Set des SAT 1 Fernsehfilms Volltreffer AT im Signal Iduna Park Dortmund 22 06 2016
Geld & Finanzen

Dortmund-Anschlag: Broker brachte Ermittler auf die Spur

Der mutmaßliche Täter soll im Mannschaftshotel der Borussen einen Online-Deal gemacht haben. Er setzte auf einen fallenden Kurs der Dortmund-Aktie.
Der Ort des Anschlags am Dienstagabend
Fußball-International

"Wären die Bomben nur eine knappe Sekunde früher gezündet worden ..."

Wäre der Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund nur eine Sekunde früher erfolgt, hätte es auch Tote geben können, sagen die Ermittler. Die gefundenen Bekennerschreiben führen wahrscheinlich bewusst in die Irre.
Fußball-International

BVB-Anschlag: Täter aus dem "rechtsextremen Milieu"?

Medienberichten zufolge geht die Polizei mittlerweile eher von Tätern aus dem rechtsextremen Milieu aus. Der Sprengstoff könnte von der Bundeswehr stammen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.