Türkei-Referendum: Zwei Tote vor Wahllokal

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55,3 Millionen Türken konnten über die Einführung eines umstrittenen Präsidialsystems abstimmen. Dabei ging es nicht immer ohne Gewalt zu.

Die rund 167.000 Wahllokale haben am Sonntag in der Türkei geschlossen. Die Auszählung der Stimmen beginnt. Die Türken haben am Sonntag in einem Referendum über mehr Macht für den Präsidenten abgestimmt. Rund 55 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, über die von Präsident Recep Tayyip Erdogan angestrebte Verfassungsänderung zu entscheiden. Im Ausland waren zusätzlich 2,9 Millionen Türken zur Wahl zugelassen, dort wurde bereits abgestimmt. Das Präsidialsystem würde Erdogan deutlich mehr Macht verleihen. Die Opposition warnt vor einer Ein-Mann-Herrschaft.

Zwei Tote vor Wahllokal

Bei einem Zusammenstoß während des Referendums in der Türkei sind in der mehrheitlich kurdischen Provinz Diyarbakir zwei Menschen getötet worden. Die Nachrichtenagentur DHA meldete, ein weiterer Mensch sei verletzt worden. Am Sonntag in der Früh sei es vor einem Wahllokal zu einem Streit gekommen, bei dem die Beteiligten mit Messern und Schusswaffen aufeinander losgegangen seien. Dabei seien drei Menschen verletzt worden. Zwei davon seien auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Ein Verdächtiger sei festgenommen worden. Nähere Hintergründe zu dem Zusammenstoß waren zunächst nicht bekannt.

Polizei behindert Wahlbeobachter

Bei dem Referendum sollen Wahlbeobachter der Opposition nach Darstellung der pro-kurdischen HDP durch die Polizei in ihrer Arbeit behindert werden. Der HDP-Abgeordnete Ziya Pir sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag per Telefon aus einem Wahllokal in der Kurdenmetropole Diyarbakir, Polizisten führten Wahlbeobachter seiner Partei und der größten Oppositionspartei CHP ab. Hintergrund sei, dass auf Wahlbeobachter-Karten der Betroffenen der Name beziehungsweise das Symbol ihrer jeweiligen Partei abgebildet sei. Die Polizisten argumentierten, dass die Verwendung von Parteisymbolen in Wahllokalen am Wahltag nicht gestattet sei.

Entsprechende Vorfälle würden auch aus anderen Wahllokalen in der Kurdenregion im Südosten der Türkei gemeldet, sagte Pir. "Die gehen gezielt gegen die HDP und die CHP vor, also gegen das "Nein"-Lager. Die suchen Gründe, damit wir an den Wahlurnen keine Beobachter haben." Die CHP und die HDP stellen die einzigen flächendeckenden Wahlbeobachter des Lagers, das gegen das Präsidialsystem von Staatschef Recep Tayyip Erdogan ist.

Erdogan in Istanbul
Erdogan in IstanbulReuters

Pir sagte weiter: "Überall in den Wahllokalen sind auf allen Etagen Polizisten, die da gar nicht sein dürften. Die durchsuchen Taschen nach Wahlbeobachter-Kärtchen. Auf den Karten von der CHP ist deren Parteiemblem, auf unseren ist vorne ein Stempel von der HDP. Die Polizisten nehmen die Beobachter mit auf die Wache, um ein Protokoll aufzunehmen. Die werden danach wieder freigelassen, aber das kann Stunden dauern. Solange ist niemand von der HDP und der CHP an den Urnen." Die Parteien bemühten sich jetzt, die Karten zu ändern. Pir sagte: "Das Gesetz besagt, dass man offen keine Parteizeichen tragen darf. Aber die Karten sind ja in den Taschen. Das war in der Vergangenheit immer so, da hat sich nie einer drum gekümmert."

Erdogan in Istanbul

Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat seine Stimme in seiner Heimatstadt Istanbul abgegeben. Erdogan sagte anschließend, es handle sich nicht um ein gewöhnliches Referendum, sondern um eine Abstimmung über ein neues Regierungssystem.

Ministerpräsident Binali Yildirim - dessen Amt im Falle einer Mehrheit für das Präsidialsystem mit der nächsten Wahl abgeschafft würde - wählte in der westtürkischen Küstenmetropole Izmir. Der Oppositionsführer und Chef der Mitte-Links-Partei CHP, Kemal Kilicdaroglu, stimmte am Sonntag in der Hauptstadt Ankara ab.

(APA/dpa)

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