Türken in Österreich stimmten mit 73,2 Prozent für Ja. Nur in Belgien war der Anteil noch höher.
Wien. Die Zustimmung zur Verfassungsreform in der Türkei fiel bei Auslandstürken in einigen Ländern höher aus als in der Türkei selbst. In Österreich stimmten 73,2 Prozent (38.215 Personen) für die Einführung des Präsidialsystems, 26,7 Prozent (13.972) dagegen. Insgesamt waren 108.561 türkische Staatsbürger in Österreich wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung in Österreich lag demnach knapp unter 50 Prozent. Damit hat Österreich den zweithöchsten Grad an Zustimmung unter den Auslandstürken, nur in Belgien war sie mit 75 Prozent Ja-Stimmen höher. Zum Vergleich: In Deutschland gab es 63,1 Prozent Zustimmung, 36,9 Prozent Ablehnung. Von den Ländern, in denen die Nein-Stimmen überwogen, war Tschechien mit 87,5 Prozent an erster Stelle.
Insgesamt spielte das Votum der Auslandstürken nur eine recht geringe Rolle – sie entsprechen rund fünf Prozent der Wahlberechtigten. Doch auf einer symbolischen Ebene sorgte ihr Stimmverhalten für Aufsehen. So entbrannte etwa in den sozialen Netzwerken eine Debatte darüber, warum in demokratischen Ländern lebende Türken einer undemokratischen Entwicklung in ihrer alten Heimat zustimmen. Und auch darüber, inwieweit Türken in Österreich angesichts ihres Abstimmungsverhaltens überhaupt integriert sein können. Wobei der Ton der Debatte zeitweise auch zu entgleiten drohte – so schrieb etwa der umstrittene oberösterreichische Grün-Politiker Efgani Dönmez auf Twitter von „Drecksgesindel“, deren Netzwerke „auseinandergenommen“ gehörten.
273.000 mit türkischem Hintergrund
In Österreich hatte sich etwa die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), quasi der Außenposten der AKP in Europa, deutlich für ein Ja zur Verfassungsreform starkgemacht. Auf der Facebookseite der Gruppierung wurde das Ergebnis des Referendums danach auch mit „Teşekkürler Avusturya! Teşekkürler Türkiye!“ gefeiert – „danke Österreich, danke Türkei“.
Rund 273.000 Personen mit türkischem Migrationshintergrund – also sie selbst oder beide Elternteile wurden im Ausland geboren – lebten laut dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) 2015 in Österreich, die meisten davon in Wien (110.000). Mit Blick auf die Staatsangehörigkeit waren zu Jahresbeginn 2017 knapp 117.000 türkische Staatsangehörige in Österreich ansässig.
Laut Statistischem Jahrbuch „Migration und Integration 2016“ sind Menschen mit türkischem Migrationshintergrund deutlich niedriger qualifiziert als Österreicher ohne Migrationshintergrund: Bei den niedrigeren Bildungsabschlüssen zeigen sich bei der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund überdurchschnittliche Anteile. Verfügten 2015 nur elf Prozent der inländischen Bevölkerung (25–64Jahre) maximal über einen Pflichtschulabschluss, war dieser Anteil bei der Bevölkerung türkischen Migrationshintergrunds mit 61 Prozent mehr als fünf Mal so hoch, so der ÖIF. Auch die Arbeitslosenquote lag im Jahresdurchschnitt 2015 bei Österreichern bei 8,1 Prozent, während sie bei Türken mit 19,8 Prozent mehr als doppelt so hoch war. (eko/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2017)