Präsident Erdoğan kritisiert europäische Wahlbeobachter als „Terrorhelfer“. Er und seine Minister denken nicht daran, der Wahlanfechtung der Opposition nachzugeben. Doch in seiner Partei wachsen die Spannungen.
Istanbul. Als ehemaliger Fußballspieler glaubt Recep Tayyip Erdoğan zu wissen, worauf es ankommt: Ob man nun 1:0 oder 5:0 gewinne, sei unerheblich, sagte der türkische Staatschef mit Blick auf das knappe Ergebnis der Volksabstimmung über die Einführung des Präsidialsystems am vergangenen Sonntag. Wichtig sei allein das Resultat, und das habe ihn bestätigt. Erdoğan bezeichnet die europäischen Wahlbeobachter, die Kritik an Unregelmäßigkeiten beim Referendum geübt hatten, als Terrorhelfer.
Andere führende Regierungspolitiker sind weniger unbeirrt als der Präsident. Nach dem Referendum zeigt sich, wie erschüttert die Erdoğan-Partei AKP durch den von ihr unerwartet großen Widerwillen der Türken ist. Mehr als 23 Millionen Türken hatten am Sonntag Erdoğans Präsidialpläne abgelehnt. Er und die AKP konnten die Einführung des neuen Systems, das dem Präsidenten deutlich mehr Macht gibt als bisher, nur mit 51,3 Prozent der Stimmen durchsetzen. Und das, obwohl die Opposition im Wahlkampf klar benachteiligt war und sich die AKP mit der Rechtspartei MHP verbündet hatte. In Istanbul und anderen großen Städten war der Widerstand groß. Da die Abstimmung auch als Vertrauensvotum über Erdoğan persönlich galt, ist das Ergebnis für die AKP ein gewisser Schock. Schließlich will die Partei die 2019 anstehenden Parlaments- und Präsidentenwahlen erneut gewinnen.