AfD - die zwei Alternativen für Petry

Alice Weidel und Alexander Gauland
Alice Weidel und Alexander Gauland APA/AFP/ODD ANDERSEN
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Parteitag. Die rechtspopulistische AfD zieht mit Alexander Gauland und der Ökonomin Alice Weidel in den Wahlkampf. Frauke Petry ist faktisch entmachtet.

Köln. Als der Mann mit dem markanten Tweedsakko und der locker auf der Nase sitzenden Brille ans Podium im Kölner Maritim Hotel tritt, hat er schon ein ganzes politisches Leben hinter sich. 40 Jahre lang war Alexander Gauland in der CDU. An diesem Wochenende ist er auf dem Parteitag der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland, AfD, in Köln – und auf dem Gipfel seines zweiten politischen Lebens.
Schon am Samstag setzte er sich gegen seine Rivalin, AfD-Chefin Frauke Petry, durch, die einen auch gegen Gauland gerichteten realpolitisch-bürgerlichen Kurs der Partei erzwingen wollte. Sie scheiterte und ist nun faktisch entmachtet. Auch wenn sie Parteichefin bleibt. Am Sonntag nun wählte die AfD Gauland, 76, zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, gemeinsam mit Alice Weidel, 38, einer Unternehmensberaterin.

Gauland steht in diesem Spitzenduo für das erstarkte nationalkonservative Lager der AfD, das die schützende Hand über extrem Rechte wie den Thüringer Landeschef Björn Höcke hält. Anders als Weidel übrigens. Die eher unbekannte Spitzenkandidatin soll das schwächelnde wirtschaftsliberale Lager – die AfD der ersten Tage, die Euro-Kritiker – bedienen. „Wir vertreten unterschiedliche Flügel der Partei, da muss sich jeder erst daran gewöhnen“, sagt Gauland.

„So wahr Gott helfe“

Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn der Rechtsruck in der AfD bildet sich auch in den Reden von Wirtschaftsliberalen wie Weidel ab. Den Euro streift die promovierte Volkswirtin nur. Stattdessen schimpft sie über „politische Korrektheit“ und erklärt mit bemüht lauter Stimme: „Für unser Deutschland werden wir kämpfen. So wahr Gott helfe“. Die Migrationspolitik nennt Weidel „völlig unkontrolliert“. Sie wird darüber künftig häufiger reden, zumal neben dem Euro-Austritt auch die „Ausbürgerung krimineller Migranten“ und eine „aktive Bevölkerungspolitik“ im Wahlprogramm steht. Weidel klang nicht immer so. Dass sie in der AfD landete, bemerkenswert. „In der Familie sorgen Mutter und Vater in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder“, ist im AfD-Programm zu lesen. Weidel lebt am Bodensee mit ihrer Lebenspartnerin und zwei Kindern.

Während sich im Maritim Hotel das neue Spitzenduo herzt, demonstrieren im Zentrum AfD-Gegner. SPD-Chef Martin Schulz kommt. Die da draußen seien die Gegner, sagt Gauland, und gibt den Versöhner seiner zerstrittenen Partei: „Liebe Frauke Petry, ich weiß, dass Sie gestern einen schweren Tag hatten“, sagt der 76-Jährige. „Aber wir brauchen Sie in der Partei.“ Fragen zum Fraktionsvorsitz wehrt Gauland ab: Der Tiger sei noch nicht erledigt, sagt er, die AfD noch nicht im Bundestag. Dass Petry im Herbst um das Amt rittern könnte, hält Ehemann Marcus Pretzell wohl für unwahrscheinlich: „Alles ist möglich“, sagt er zur „Presse“. „Oder ich werde Bundeskanzler.“

Das AfD-Tandem für den Bundestagswahlkampf

Alexander Gauland (76) ist der wichtigste Fädenzieher der Partei seit 2015. Der ehemalige CDU-Mann genoss früher auch in ideologisch anders gelagerten Milieus einen gewissen Respekt als konservativer Intellektueller. Einige seiner einstigen Weggefährten und Bekannten aus der Zeit als Staatskanzleichef in Hessen und Zeitungsverleger in Potsdam haben sich heute von ihm abgewandt. Gauland gilt als wichtigster Unterstützer der Rechtsnationalen in der AfD.

Auch über den Thüringer Rechtsausleger Björn Höcke, gegen den ein Parteiausschlussverfahren läuft, hält er seine schützende Hand. In Sachen Zuwanderung liegt Gauland mit ihm auf einer Linie. Kürzlich warnte er: "Der Bevölkerungsaustausch in Deutschland läuft auf Hochtouren." Parteifreunde sagen über Gauland, der Bildungsbürger im feinen Tweed habe erst im direkten Kontakt als Wahlkämpfer seine Liebe zum "kleinen Mann" entdeckt.

Alice Weidel (38) ist außerhalb ihres baden-württembergischen Landesverbandes noch nicht sehr bekannt. Die promovierte Volkswirtin war über die Kritik an der Eurorettungspolitik zur AfD gestoßen. Die bisweilen völkische Rhetorik des Höcke-Flügels lehnt sie zwar ab. Anders als die Rechtsnationalen, die eine Netto-Auswanderung von Ausländern für wünschenswert halten, ist Weidel für eine "gesteuerte qualifizierte Zuwanderung", aber auch gegen eine "Politik der offenen Grenzen, die vor allem muslimische Armutsmigranten ohne Qualifikation nach Deutschland lockt".

Die Unternehmensberaterin hat beruflich viel in China zu tun gehabt. Sie lebt mit ihrer Lebensgefährtin und zwei Kindern am Bodensee. An den öffentlich ausgetragenen Machtkämpfen der Parteispitze hat sich Weidel bisher nicht beteiligt. In Interviews wird sie gelegentlich gefragt, warum sie mit ihren wirtschaftsliberalen Ideen nicht Mitglied in der FDP wird.

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