Macron und Co. gegen Marine Le Pen

Emmanuel Macron bejubelt den Sieg in der ersten Wahlrunde mit seiner Frau Brigitte Trogneux.
Emmanuel Macron bejubelt den Sieg in der ersten Wahlrunde mit seiner Frau Brigitte Trogneux.REUTERS
  • Drucken

Montagfrüh kommt die offizielle Bestätigung: Der unabhängige, linksliberale Emmanuel Macron und FN-Chefin Marine Le Pen gehen in die französische Stichwahl am 7. Mai. Die übrigen Parteien werfen sich schon für Macron in die Schlacht.

Vor fünf Jahren, bei der bisher letzten Präsidentenwahl, war Marine Le Pen, Chefin des (für französische Verhältnisse) rechtsextremen Front National (FN), noch in Runde eins ausgeschieden, damals mit 17,9 Prozent der Stimmen. Doch nun ist klar, dass Runde zwei der Präsidentenwahl am 7. Mai das Land, aber auch Europa wahrlich an einen Scheideweg bringt: Bei einer hohen Wahlbeteiligung von annähernd 80 Prozent schickten die Franzosen am Sonntag nämlich Le Pen, die Frankreich aus der EU führen will, mit 21,53 Prozent in die Stichwahl, wie das Innenministerium nach Auszählung aller Stimmen bekanntgab. Damit tritt sie gegen den Linksliberalen Emmanuel Macron an, den Kandidaten der Bewegung „En marche!“ (EM), einem früheren Wirtschaftsminister, der vor Le Pen auf 23,75 Prozent kam.

Kaliber wie der Kandidat der Konservativen, François Fillon, und der Linkslinke Jean-Luc Mélenchon schieden mit rund 19,91 Prozent bzw. 19,49 Prozent aus. Der Kandidat der regierenden Sozialisten, Benoît Hamon, ging mit sechs Prozent unter. Das noch provisorische Wahlergebnis scheint im Wesentlichen den Umfragen zu entsprechen, die Le Pen und Macron im Finish vorne gesehen hatten. Dabei war das Rennen ungewöhnlich spannend. Noch am Nachmittag zirkulierten widersprüchliche Gerüchte, die teils auch Fillon Kopf an Kopf mit Le Pen sahen.

Macron konnte den Vorsprung, der ihm vorausgesagt worden war, ins Ziel retten, und Marine Le Pen schafft es, wie ihr Vater Jean-Marie Le Pen bereits bei der Präsidentenwahl von 2002, in die Endrunde zu kommen. Damit erzielte sie das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer FN: Mehr als 7,6 Millionen Franzosen für Le Pen. Das sind deutlich mehr als die 6,8 Millionen Stimmen, die die Front National landesweit in der zweiten Runde der Regionalwahlen 2015 bekam. Laut bisherigen Wahlsimulationen hat Le Pen allerdings kaum Chancen, zu gewinnen. Laut Meinungsforschern soll Macron mit rund 60 zu 40 Prozent siegen und Nachfolger von François Hollande werden. Jacques Chirac hatte vor 15 Jahren Le Pen noch mit 82 zu 18 Prozent deklassiert.

Fillon für Macron

Noch am Sonntagabend begann sich der Rest des politischen Spektrums, sich in die linksliberale Waagschale zu werfen: Namhafte Vertreter der Sozialisten und anderer linker Gruppen, ja Konservative und Fillon selbst riefen ihre Wähler auf, gegen Le Pen zu stimmen. Der Front National kritisierte umgehend Fillons Wahlempfehlung. Der sozialistische Premierminister, Bernhard Cazeneuve, sagte, es gehe darum, den Front National zu schlagen und sein „unheilvolles Programm eines Rückschritts Frankreichs und der Spaltung der Franzosen“ zu verhindern.

Außenminister Jean-Marc Ayrault sprach sich ebenso für Macron aus wie letztlich der gescheiterte Sozialisten-Kandidat Hamon: Die „Auslöschung der Linken durch die extreme Rechte“ sei „eine schwere Niederlage“, sagte er. Man müsse jetzt aber den Front National so deutlich wie möglich schlagen, „mit Stimmen für Emmanuel Macron, auch wenn er nicht der Linken angehört.“

Marine Le Pen sprach dagegen von einem „historischen“ Ergebnis, und sie appellierte an alle „Patrioten“, ihr die Stimme zu geben. „Es ist Zeit, das französische Volk von den arroganten Eliten zu befreien.“ Es gehe darum, die „wilde“ Globalisierung in die Schranken zu weisen und gegen offene Grenzen aufzutreten. Finanzexperten und auch die Börsen reagierten auf die Wahl indessen mit spürbarer Erleichterung. Der Euro stieg auf den höchsten Stand seit fünf Monaten.

Dem durch gerichtliche Ermittlungen geschwächten Fillon gelang es nicht, zusätzliche Reserven aufzubieten, wie er gehofft hatte. Er hat einen Teil seiner Klientel an Macron verloren, ebenso wie Mélenchon auf der linken Seite. Man kann davon ausgehen, dass viele Linkswähler aus taktischen Überlegungen für Macron gestimmt haben.

Nach dieser historischen Schlappe für den Parti Socialiste zeichnet sich eine schwere interne Krise ab. In diesen Sog werden auch die Grünen gezogen, die zugunsten von Hamon auf eine Kandidatur verzichtet hatten. Dass die Stichwahl zwischen zwei Kandidaten stattfindet, die nicht traditionellen Parteien angehören, ist bezeichnend für die Krise des Systems, das fast von allen Kandidaten infrage gestellt oder attackiert worden ist.

Die Enthüllungen über Fillons Scheinbeschäftigung seiner Gattin Penelope als parlamentarische Assistentin auf Staatskosten hatten eine verheerende Wirkung. Jetzt reißt Fillon seine Partei mit in den Abgrund. Die moralische und politische Diskreditierung der traditionellen „staatstragenden“ Parteien und ihrer Bewerber vergrößerte zwangsläufig das Echo der populistischen Kampagnen der FN-Chefin Le Pen und des selbsternannten linken Volkstribuns Mélenchon. Zuletzt hatten Zeitungen sogar die Möglichkeit einer Finalrunde zwischen „zwei Extremisten“ skizziert, zwischen Le Pen und Mélenchon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.