Afghanistans Verteidigungsminister und Armeechef treten zurück

US-Verteidigungsminister Mattis über der afghanischen Hauptstadt Kabul.
US-Verteidigungsminister Mattis über der afghanischen Hauptstadt Kabul.REUTERS/Jonathan Ernst
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Nach einem Taliban-Anschlag mit mehr als 130 Toten ziehen die Militärs Konsequenzen. Der US-Verteidigungsminister ist zu einem Überraschungsbesuch in Afghanistan.

Erstmals seit dem Regierungswechsel in Washington ist Verteidigungsminister Jim Mattis nach Afghanistan gereist. Der unangekündigte Besuch des Pentagon-Chefs in Kabul am Montag erfolgte knapp zwei Wochen nach dem Abwurf der größten nicht-atomaren US-Bombe in Afghanistan.

Wenige Stunden vor Mattis' Ankunft traten sein afghanischer Kollege Abdullah Habibi und Armeechef Kadam Schah Schahim zurück. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist äußerst instabil - was zuletzt ein Anschlag der Taliban mit mehr als 130 Toten am Freitag zeigte.

Der Nato-Kampfeinsatz in Afghanistan wurde Ende 2014 offiziell für abgeschlossen erklärt, allerdings sind weiterhin 8.400 US-Soldaten und weitere 5.000 Mann aus anderen NATO-Staaten am Hindukusch stationiert.

Mattis reiste nach eigenen Angaben nach Afghanistan, um für US-Präsident Donald Trump eine Einschätzung des aktuellen Standes in dem Konflikt zu erstellen. Der Krieg in Afghanistan ist der längste in der US-Geschichte.

"Folgenschwerer Anschlag"

Der Anschlag vom Freitag war offenbar der blutigste Taliban-Anschlag auf das afghanische Militär, auch wenn am Montag weiter keine übereinstimmenden Zahlen zu den Opfern vorlagen. Örtliche Behördenvertreter sprachen von 130 bis 160 Toten. Die Behörden in Kabul nannten die Zahl von mehr als hundert Toten und Verletzten.

Ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums sagte, der "folgenschwere Anschlag" sei "bitter". Die afghanischen Sicherheitskräfte müssten aus der Untersuchung des Vorfalls "ihre Schlüsse ziehen".

Der deutsche Außenamtssprecher Martin Schäfer erinnerte daran, die Bundesregierung stehe hinsichtlich des Engagements in Afghanistan bei der internationalen Staatengemeinschaft und der afghanischen Regierung "im Wort", "dass wir nicht einfach das Weite suchen".

Bei dem Anschlag waren zehn Angreifer in afghanischen Uniformen und mit Sprengstoffwesten auf ein Militärgelände nahe Masar-i-Sharif vorgedrungen. Die radikalislamischen Taliban bekannten sich zu dem Angriff. Ein Sprecher des Militärgeländes sagte am Montag, rund zehn Verdächtige würden wegen des Anschlags verhört.

Abschiebungen nach Afghanistan in der Kritik

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wandte sich angesichts der weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan gegen weitere Abschiebungen in das Bürgerkriegsland. "Hunderte Tote und Verletzte am Freitag. Bund und Länder müssen die Abschiebung in ein Kriegs- und Krisengebiet stoppen", forderte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt in Berlin.

Pro Asyl verwies auf eine aktuelle Analyse von US-Experten, wonach die afghanische Regierung inzwischen nur noch in etwas mehr als der Hälfte des Landes die Kontrolle oder überhaupt maßgeblichen Einfluss ausübe.

Unter Berufung auf das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (ÖCHA) hieß es weiter, allein seit Jahresbeginn habe es in Afghanistan fast 59.000 neue Binnenvertriebene gegeben. In 26 der 34 Provinzen Afghanistans wurden demnach Vertreibungen aufgrund von Kampfhandlungen verzeichnet.

Kritik an der geplanten neuen Sammelabschiebung kam auch von Grünen und Linken. Es sei "unfassbar und unverantwortlich", dass die Bundesregierung die Verschlechterung der Sicherheitslage "leugnet", um die verschärften Abschiebungen rechtfertigen zu können, sagte die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke der "Passauer Neuen Presse".

Das Blatt zitierte aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken, wonach die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus Afghanistan in Deutschland auf nur noch 47,9 Prozent gesunken ist.

(APA/AFP)

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