Als Jean-Marie Le Pen Frankreich in Schock versetzte

Jean-Marine Le Pen bei einer Wahlkampfveranstaltung.
Jean-Marine Le Pen bei einer Wahlkampfveranstaltung.(c) Reuters (Franck Prevel)
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Vor 15 Jahren kam nach einem gähnenden Wahlkampf überraschend der Rechtsaußen Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl. Nur 2,6 Prozentpunkten trennten ihn von der Nummer eins, von Staatschef Chirac. Frankreichs Wähler waren erschüttert und verunsichert.

Im Gegensatz zum heurigen Wahlkampf, der von Woche zu Woche spannender wurde, herrschte vor 15 Jahren bei den Wahlberechtigten ausgesprochenes Desinteresse. Bei einer Umfrage Mitte April 2002 sagten noch 70 Prozent, dass der Wahlkampf nicht besonders interessant sei, eine äußerst geringe Wahlbeteiligung war abzusehen.

Den Umfragen zufolge lag der amtierende konservative Präsident Jacques Chirac mit 20 bis 22 Prozent der Stimmen knapp vor dem sozialistischen Ministerpräsidenten Lionel Jospin mit 17 bis 19 Prozent. Angesichts des Angebots und des müden Wahlkampfs reagierten die Wahlberechtigten mit Lustlosigkeit, in der Bevölkerung war der Frust über die immer gleichen Gesichter hoch. In dieser ersten Runde bewarben sich dann noch 14 weitere Kandidaten für die Präsidentschaft, unter anderem auch Jean-Marie Le Pen aus dem Lager der extremen Rechten.

Politische Beobachter wurden erst kurz vor der Wahl darauf aufmerksam, dass sich etwas anbahnen könnte. Meinungsforscher fanden nämlich heraus, dass es durchaus auch gute Ergebnisse für die Kandidaten der extremen Linken und der extremen Rechten geben könnte.

Eine Sensation zeichnet sich ab

Am 21. April war Wahltag - und am Abend zeichnete sich die Sensation ab. Ein Schock für das ganze Land: Amtsinhaber Chirac blieb unter den Erwartungen, erreichte aber mit 19,9 Prozent noch die Mehrheit. Doch hinter ihm landete überraschend Jean-Marie Le Pen, der Führer des rechtsextremen Front National. Er warf den sozialistischen Kandidaten Jospin aus dem Rennen. Ganz knapp fiel das Ergebnis aus: 16,86 Prozent für Le Pen; Jospin erhielt 16,18 Prozent. Absolut waren es lediglich 200.000 Stimmen, die die beiden voneinander trennten.

Besonders schockierend für die Franzosen war auch, dass der 73-jährige Le Pen vom amtierenden Präsidenten Chirac weniger als drei Prozent entfernt lag; in den Arbeiterhochburgen Nordfrankreichs, aber auch im Elsa und in Lothringen stieg Le Pen sogar zur Nummer eins auf.

Marine Le Pen zu Tränen gerührt

Am Abend des Wahlsonntags wurde im noblen Pariser Vorort Saint-Cloud ausgiebig mit Champagner gefeiert. Le Pen-Tochter Marine war zu Tränen gerührt. Doch Frankreich war entsetzt. Wie war es möglich, dass ein ausländerfeindlicher Rechtsaußenkandidat, für den die Immigration die Wurzel allen Übels in Frankreich ist, der den Euro als "Besatzungswährung" genauso ablehnte wie die EU und überhaupt einen Hass auf alle Linken hatte, einen solchen Erfolg einfahren konnte? Und der sogar angekündigt hatte, als ersten Akt als Präsident ein Referendum für die Wiedereinführung der Todesstrafe abhalten zu wollen?

Am Montag nach dem Wahltag gingen zehntausende Franzosen zu spontanen Protesten auf die Straße. Das Wahlergebnis wurde in den Medien als "Schock und Erdbeben", als "Ohrfeige für das politische System" beschrieben. Und es begann die Suche nach den Ursachen: Wer hat Le Pen gewählt? Letztlich waren es viele Arbeiter, Rentner, Bauern, Arbeitslose, die Wohlstandsverlierer, bei denen er punktete.

Marine Le Pen freut sich über den Wahlerfolg ihres Vaters.
Marine Le Pen freut sich über den Wahlerfolg ihres Vaters.(c) Reuters (Xavier Lhospice)

Regierungschef Lionel Jospin war verbittert und er verkündete bald mit versteinerter Miene seinen Abgang. Beim zweiten Durchgang, zwei Wochen später, war alles scheinbar wieder im Lot. Chirac erzielte mit 82,2 Prozent ein Rekordergebnis, das einer Bananenrepublik würdig wäre. Aber dahinter steckte nicht hohe Zustimmung, sondern allein das massive Nein der Bevölkerung zu seinem Gegner, dem Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen - der diesmal 17,8 Prozent erreichte.

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