Taliban verkünden Beginn von jährlicher "Frühjahrsoffensive"

Ein US-Soldat in einem Helikopter vor einem Angriff auf Taliban-Stellungen.
Ein US-Soldat in einem Helikopter vor einem Angriff auf Taliban-Stellungen.APA/AFP/X90178/JONATHAN ERNST
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Die radikalen Islamisten wollen staatliche Strukturen aufbauen. Experten warnen vor einem "schweren Jahr für die afghanischen Sicherheitskräfte.

Die radikalislamischen Taliban in Afghanistan haben am Freitag den Beginn ihrer jährlichen "Frühjahrsoffensive" verkündet. Hauptziel der "Operation Mansouri" seien die ausländischen Truppen im Land, deren militärische Infrastruktur sowie "die Vernichtung ihrer einheimischen Söldner", erklärten die Islamisten. Das afghanische Innenministerium relativierte die Drohungen.

"Der Feind wird angegriffen, belästigt, getötet oder gefangen genommen, bis er seinen letzten Posten geräumt hat", teilten die Taliban in ihrer Erklärung zur "Operation Mansouri" mit, die nach ihrem früheren, bei einem US-Drohnenangriff getöteten Anführer benannt ist. Die ausländischen Truppen würden durch "konventionelle Angriffe, Guerillakampf, Märtyrer- und Insiderattacken" angegriffen, drohten die Islamisten. Bei Insiderattacken setzen afghanische Sicherheitskräfte ihre Waffen gegen Kollegen der eigenen oder internationalen Truppen ein.

Das afghanische Innenministerium erklärte, die "Frühjahrsoffensive" stelle "nichts Neues" dar. "Wir werden die Taliban im ganzen Land angreifen, töten, besiegen und verdrängen", sagte Sprecher Najib Danish der Nachrichtenagentur AFP.

Drittel Afghanistans unter Kontrolle der Taliban

Die Erklärung der Taliban unterscheidet sich allerdings insofern von früheren Drohungen, als diesmal auch ein politischer Ansatz in den von den Taliban kontrollierten Gebieten angekündigt wird. Ziel sei der Aufbau staatlicher Strukturen, hieß es. Von afghanischer und internationaler Seite wurden die Taliban in der Vergangenheit wiederholt zur Beteiligung am politischen Prozess aufgerufen, was diese bisher ablehnten.

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist weiterhin äußerst instabil. Mehr als ein Drittel des Landes steht nicht unter Regierungskontrolle. Die NATO-Staaten, die ihren Kampfeinsatz Ende 2014 offiziell beendet hatten, haben derzeit noch mehr als 13.000 Soldaten in Afghanistan stationiert.

2016 war die Zahl der getöteten Sicherheitskräfte wieder gestiegen, nach Angaben einer US-Organisation wurden im vergangenen Jahr 6800 Soldaten und Polizisten getötet. Auch aufseiten der afghanischen Zivilbevölkerung gab es nach UNO-Angaben tausende Tote, darunter besonders viele Kinder.

Der Experte Ahmed Saeedi sagte AFP in Kabul, die Taliban fühlten sich durch Fehler der afghanischen Regierung "ermutigt" und dürften in diesem Jahr nach weiteren Gebieten streben. Es werde "ein schweres Jahr für die afghanischen Sicherheitskräfte".

Insiderangriffe könnten zunehmen

Am vergangenen Freitag waren beim bisher folgenschwersten Taliban-Angriff auf einen Militärstützpunkt seit dem US-Einmarsch 2001 nach offiziellen Angaben 135 afghanische Rekruten getötet oder verletzt worden. Andere Quellen gehen von deutlich mehr Opfern aus.

Jedes Jahr nach Ende des harten Winters verschärfen die Taliban mit ihrer "Frühjahrsoffensive" ihre Anschläge gegen die internationalen Truppen und die Regierung in Kabul. Nach dem Angriff vom Freitag nahm auch die Sorge vor Insiderangriffen wieder zu. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen verschafften sich die Angreifer mit gültigen Zugangskarten Zutritt zu dem Stützpunkt und trugen afghanische Armeeuniformen.

Die angekündigte "Frühjahrsoffensive" erfolgte wenige Tage nach einem Besuch von US-Verteidigungsminister James Mattis in Afghanistan. Auch er hatte gewarnt, dass 2017 "ein weiteres hartes Jahr" für die afghanischen Sicherheitskräfte werde.

Mitte April hatten die USA erstmals die größte nicht-atomare Bombe in Afghanistan abgeworfen und Stellungen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) getroffen. Beobachter kritisierten, dass der Angriff auf eine Gruppe zielte, die keine so große Bedrohung wie die Taliban darstelle. Der Angriff könnte den Taliban demnach sogar zu gute kommen, da sie sich in Rivalität mit dem IS befinden.

(APA/AFP)

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