UN-Menschenrechtskommissar beklagt "Klima der Angst" in der Türkei

UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad al-Hussein
UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad al-HusseinREUTERS
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Gewalt oder vermeintliche Gewalt nichtstaatlicher Akteure werde von Regierungen als Vorwand für Menschenrechtsverletzungen genutzt. kritisiert UN-Kommissar Zeid Ra'ad al-Hussein.

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid bin Ra'ad al-Hussein, sieht in der Türkei, Ägypten, Venezuela und anderen Ländern einen alarmierenden Trend: Gewalt oder vermeintliche Gewalt nichtstaatlicher Akteure werde von Regierungen als Vorwand für Menschenrechtsverletzungen genutzt.

Zeid nannte am Montag in Genf unter anderem die Massenentlassungen von Staatsbediensteten in der Türkei und die Massenverhaftungen in Ägypten. Der wachsende Populismus in Europa und anderswo sei höchst bedauerlich.

Zeid beklagte ein "Klima der Angst" in der Türkei. Die hohe Zahl der Entlassungen - nach seinen Angaben bisher 150.000 Staatsbedienstete - lege nahe, dass die Fälle im einzelnen nicht angemessen geprüft worden seien. Erst am Wochenende waren erneut mehr als 3.900 Staatsbedienstete per Dekret entlassen worden. Ihnen wurden Verbindungen zu dem im Exil lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen vorgeworfen.

Die Massenverhaftungen in Ägypten führten nur zur Radikalisierung der Betroffenen in Gefängnissen. "So bekämpft man Terror nicht", sagte Zeid.

Kritik an häufigen Ausnahmezuständen

Zugleich kritisierte Zeid den Trend zu übermäßigem Einsatz von Ausnahmezuständen, von Gewaltmaßnahmen durch Sicherheitskräfte, die Behinderung der Meinungsfreiheit und die Zerstörung von Zivilgesellschaften. Damit einher gehe die falsche Annahme, dass eine Demonstration von Stärke Probleme löse, und dass Gesetze, die der Gewaltausübung im Wege stünden, beseitigt werden könnten.

Er kritisierte den wachsenden Populismus in den USA und Europa. "Wir sind besorgt, dass Minderheiten und Migranten ohne legalen Status zur Zielscheibe dafür werden, was in einer Gesellschaft nicht mehr funktioniert", sagte Zeid. "Wenn Kandidaten aufrührerische Parolen äußern, die Richtung Aufwiegelung gehen, fühlen wir die Verpflichtung, das Wort zu ergreifen." Positiv sei, dass sich in den USA und anderswo inzwischen Bewegungen gegen den Populismus entwickelten. "Das sind Menschenrechtsverfechter, die uns inspirieren", sagte Zeid.

(Reuters)

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