Erdogan kehrt in Regierungspartei AKP zurück

Präsident Recep Tayyip Erdogan
Präsident Recep Tayyip ErdoganREUTERS
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Erdogan hatte die AKP 2001 mitbegründet, nach seiner Wahl ins Präsidentenamt im August 2014 hatte er die islamisch-konservative Partei verlassen müssen.

Zwei Wochen nach dem umstrittenen Verfassungsreferendum in der Türkei ist Präsident Recep Tayyip Erdogan in die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zurückgekehrt. "Er kehrt ins Nest zurück, in die AKP, die er gegründet hat", sagte AKP-Chef Binali Yildirim am Dienstag bei einer Zeremonie in der Parteizentrale in Ankara.

Der Präsident wird demnach bei einem Sonderparteitag am 21. Mai selbst den Parteivorsitz wieder übernehmen.

Die Ankunft des Konvois Erdogans vor der AKP-Zentrale, die mit einem riesigen Porträt des Präsidenten dekoriert war, wurde live im Fernsehen übertragen. Nachdem Erdogan ein Dokument unterzeichnet hatte, das seine Rückkehr in die Partei besiegelt, brachen die hunderten Parteimitglieder im Saal in Applaus aus und stimmten die Nationalhymne an.

Die bei dem Referendum am 16. April mit knapper Mehrheit von 51,4 Prozent angenommene Verfassungsänderung erlaubt es dem Präsidenten, künftig wieder einer Partei anzugehören. Erdogan hatte die islamisch-konservative Partei 2001 mitbegründet, sie nach seiner Wahl ins Präsidentenamt im August 2014 jedoch verlassen müssen.

Denn gemäß der damals geltenden Verfassung war er als Staatschef zu politischer Neutralität verpflichtet. Diese Bestimmung wurde nun aufgehoben. Während die meisten anderen Verfassungsreformen erst nach der nächsten Präsidentenwahl 2019 in Kraft treten, erlangt die Bestimmung zur Parteizugehörigkeit umgehend Gültigkeit.

Ministerpräsident Yildirim, der derzeit den Parteivorsitz innehat, kündigte an, dass Erdogan bei einem Sonderparteitag der AKP am 21. Mai wieder zum Vorsitzenden gewählt werde. Auch ohne formal den Vorsitz inne zu haben, spielt Erdogan allerdings bereits eine zentrale Rolle in der Partei, die der Vater von vier Kinder einmal als sein "fünftes Kind" bezeichnet hat.

Yildirim war im Mai 2016 Parteivorsitzender und Ministerpräsident geworden, nachdem Erdogan seinen langjährigen Weggefährten Ahmet Davutoglu abgesetzt hatte. Zwischen den beiden Politikern war es zuvor wegen des von Erdogan angestrebten Übergangs zum Präsidialsystem und anderen Fragen zu Spannungen gekommen.

Indem Erdogan nun die Zügel der Partei wieder in die eigenen Hände nehme, wolle er "die Streitigkeiten in der Partei unter Kontrolle halten, um nicht seine Macht über die Partei zu verlieren", sagte der Politologe Samim Akgönül. Der Parteivorsitz werde ihm einen "enormen Vorteil" bei der nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahl 2019 verschaffen.

"Erdogan will nicht nur de facto, sondern auch de jure der Chef der Partei sein, um sicherzustellen, dass seine Entscheidungen zur Aufstellung von Kandidaten nicht in Frage gestellt werden", sagt der Forscher der Universität Straßburg. Medienberichten zufolge wird Erdogan sich umgehend an eine tiefgreifende Umstrukturierung der Partei machen.

Die Zustimmung beim Referendum war trotz der massiven Mobilisierung der AKP knapper ausgefallen als von Erdogan erhofft. Selbst in traditionellen AKP-Hochburgen gab es nur eine knappe Mehrheit. Berichten zufolge ist Erdogan mit vielen AKP-Politiker unzufrieden. Es wird auch mit einer umfassenden Umbildung des Kabinetts gerechnet.

Die Opposition fürchtet, dass der Präsident zu große Kontrolle über das Parlament erlangt, wenn er zugleich Chef der Regierungspartei ist. Erdogan erwidert jedoch, dass auch Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk der Regierungspartei vorstand. Mit der umstrittenen Verfassungsreform soll das Amt des Ministerpräsident wegfallen und der Präsident selbst die Regierungsgeschäfte leiten.

Erdogan erklärte am Dienstag, er wolle der Europäischen Union den Rücken kehren, falls die seit langem stockenden Beitrittsgespräche nicht reaktiviert werden. Die EU habe keine andere Option, als weitere Themen in den Verhandlungen anzugehen, sagte Erdogan. "Auf Wiedersehen, wenn Sie es nicht tun", sagte er an die EU gerichtet.

(APA/AFP)

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