Der Kampf um Obamacare wird weitergehen

Donald Trump erzielt einen knappen Sieg.
Donald Trump erzielt einen knappen Sieg.APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI
  • Drucken

Trump und seine Partei boxten das Ende der Gesundheitsreform Barack Obamas mit knapper Mehrheit durch. Doch im Senat formiert sich inzwischen der Widerstand.

Kurz nach dem Beschluss des US-Repräsentantenhauses zur teilweisen Abschaffung des Gesundheitssystems Obamacare am Donnerstag dürften sich viele Bürger so gefühlt haben wie Peg Manley. Sie habe Angst, schrieb die Frau aus dem Bundesstaat Vermont auf Twitter. Familien wie die Manleys befürchten bei einem Ende von Obamacare den Ruin: Ihr Mann und ihre Tochter litten an einer seltenen Krankheit, während sie selbst versuche, nach einer Lähmung infolge einer Operation wieder auf die Beine zu kommen, schrieb Manley. Präsident Donald Trump und seine Republikaner versichern zwar, der Versicherungsschutz für Betroffene wie die Manleys werde nicht angetastet. Doch Kritiker befürchten, dass genau das geschehen wird.

Das Votum im Repräsentantenhaus fiel mit 217 Ja-Stimmen sehr knapp aus: Nur zwei Stimmen weniger hätten das Scheitern bedeutet. Fast zwanzig von Trumps Republikanern, die im Repräsentantenhaus über 238 Sitze verfügen, verweigerten der Regierung die Gefolgschaft.

Dennoch können Trump und die Republikaner von einem ersten Erfolg bei der Umsetzung eines ihrer wichtigsten Wahlzusagen sprechen. Zwei vorherige Anläufe endeten mit peinlichen Niederlagen für die Regierungspartei, die das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses beherrscht. Im dritten Anlauf am Donnerstag funktionierte es, doch damit hat Trump sein Ziel noch längst nicht erreicht. Der Gesetzentwurf geht nun an den Senat, wo sich bereits großer Widerstand abzeichnet.

Zerrissene Partei

Da die Mehrheit der Partei im Senat mit lediglich zwei Stimmen noch dünner ist als die im Repräsentantenhaus, haben Abweichler dort wesentlich mehr Macht, Revisionen der Vorlage durchzusetzen. Es gebe viele Änderungsvorschläge im Senat, meldete der „Washington Examiner“. In der derzeitigen Form wird der Gesetzentwurf sicher nicht den Senat passieren und in Kraft treten – der Streit dürfte in den kommenden Wochen und Monaten weitergehen. Denn die Demokraten hoffen, dass der durch Trumps Vorgehen ausgelöste Verlust von Krankenversicherungen ihnen bei den nächsten Kongresswahlen Zulauf aus dem Lager der Republikaner beschert.

Zugleich wirft der Streit um die Gesundheitspolitik ein Schlaglicht auf die Zerrissenheit der Republikaner. Während Erzkonservative möglichst wenig staatliche Unterstützung bei der Krankenversicherung wollen, sorgen sich Republikaner aus der politischen Mitte, dass mit einer harten Linie viele Wähler verprellt werden. Denn eines müssen die Republikaner zugeben: Das von ihnen so heftig attackierte Gesundheitssystem von Trumps Vorgänger Barack Obama hat Millionen von Amerikanern einen Krankenversicherungsschutz beschert, der bei vielen Wählern beliebt ist, beispielsweise wegen der garantierten Behandlung von Vorerkrankungen ohne Aufpreis.

Trump und seine Partei haben versprochen, die Vorteile von Obamacare zu erhalten, das System aber insgesamt billiger und effizienter zu machen. An dieser Quadratur des Kreises waren die Republikaner bisher gescheitert. Nun aber kam für sie der Durchbruch: Trump versprach dem moderaten Flügel seiner Partei zusätzliche acht Milliarden Dollar, um arme Amerikaner mit Vorerkrankungen vor horrenden Beitragserhöhungen zu schützen. Daraufhin erklärten sich mehrere Zauderer bereit, am Donnerstag im Repräsentantenhaus mit Ja zu stimmen.

Trump: Obamacare "im Prinzip tot"

Mehr als 22 Abweichler konnte sich Paul Ryan, als Präsident des Repräsentantenhauses so etwas wie der Parteivorsitzende der Republikaner, bei der Abstimmung nicht erlauben. Ryans Ruf ist wegen des bisherigen Scheiterns seiner Partei bei Obamacare reichlich ramponiert, weshalb für den 47-jährigen am Donnerstag sehr viel mehr auf dem Spiel stand als nur eine Gesundheitsreform. Auch um Trumps Reputation ging es bei dem Votum – der Präsident hatte sich intensiv in die Vorgespräche eingeschaltet.

Trump erklärte nach dem Votum im Repräsentantenhaus bei einem Auftritt im Rosengarten des Weißen Hauses, Obamacare sei "im Prinzip tot". "Wir werden es zur Strecke bringen, und dann werden wir uns einer Menge anderer Dinge zuwenden." Zudem versprach er, Beiträge und Selbstbeteiligungen für die Versicherten zu senken – viele Experten bezweifeln allerdings, dass dies geschehen wird. Nancy Pelosi, Fraktionschefin der oppositionellen Demokraten im Repräsentantenhaus, nannte die Vorlage einen „traurigen, tödlichen Witz“. Regierungskritiker werfen den Republikanern vor, mit dem Gesetz das Leben von Amerikanern aufs Spiel zu setzen, die nun ihren Versicherungsschutz verlieren könnten.

Millionen Amerikaner verlieren Versicherungsschutz

Kritisiert wurde unter anderem, dass der Gesetzentwurf durchs Parlament gepeitscht wurde, ohne dass die Folgekosten und die Konsequenzen der Reform für die Versicherten abschließend geklärt waren: Manche Abgeordnete hatten bis kurz vor dem Votum nicht einmal Zeit, die Vorlage zu lesen

Kalkulationen des überparteilichen Haushaltsbüros des Kongresses würden mehrere Wochen dauern, doch so lange wollte Trumps Partei nicht warten. Ein Überblick des Haushaltsbüros über eine frühere Version des republikanischen Vorschlages hatte vorausgesagt, dass 24 Millionen Amerikaner ihren Versicherungsschutz verlieren würden. Anderthalb Jahre vor den nächsten Kongresswahlen, bei dem das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu bestimmt werden, ist das ein Risiko für so manchen Politiker. So hoffen die Demokraten nun, dass der durch Trumps Vorgehen ausgelöste Verlust von Krankenversicherungen ihnen bei den nächsten Kongresswahlen Zulauf aus dem Lager der Republikaner beschert. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.