Verhärtete Fronten in Zypern

Die Einigung rückt wieder in die Ferne.
Die Einigung rückt wieder in die Ferne.(c) APA/AFP/IAKOVOS HATZISTAVROU (IAKOVOS HATZISTAVROU)
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Die türkische Seite glaubt nicht an eine Einigung. Die Energiefrage ist immer noch offen, ein Wahlkampf steht auch bevor.

Wien/Nikosia/Lefkoşa. Die Insel Zypern erlebte im vergangenen Jahr einen beispiellosen politischen Frühling. Die griechische und die türkische Seite eröffneten neue Verhandlungskapitel, signifikante Fortschritte wurden erzielt, eine Einigung der seit mehr als 50 Jahren geteilten Insel schien nah. Heute aber spricht der UN-Gesandte Espen Barth Eide von „dramatischen Zeiten“ und einer „letzten Chance“. Hüseyin Özgürgün, Premier Nordzyperns, sagt: „Es ist offensichtlich, dass es in Zypern zu keiner Einigung kommen wird.“ Die türkische Seite solle daher „unabhängig ihren eigenen Weg fortsetzen“. Und der Süden lässt ausrichten, dass man ungeachtet der türkischen „Drohungen“ die Ausbeutung der fossilen Reserven im Mittelmeer fortsetzen werde.

Die greifbar geglaubte Einigung ist also wieder einmal in die Ferne gerückt. Was die Ausbeutung betrifft, hat die Republik Zypern bereits mit Athen, Kairo und Jerusalem Deals ausgehandelt. Sehr zum Leidwesen der türkischen Seite, die sich an den Projekten beteiligen will. Ihr Argument: Die Reserven gehören der ganzen Insel, und nicht nur dem Süden. Als Antwort auf die griechischen Bohrungen hat Ankara das Forschungsschiff Barbaros Hayrettin Paşa ins Mittelmeer geschickt, das nun seinerseits nach Erdgas sucht – ein Affront für den Süden, beansprucht dieser doch Teile der auszubeutenden Gebiete für sich. Rechtlich sind die türkischen Bohrungen auch nicht gedeckt. Die Energiefrage schwebte schon im vergangenen Jahr, als die positiven Nachrichten überwogen, wie ein Damoklesschwert über den Friedensgesprächen. Sie hat sich allerdings verschärft, denn im Juli will der französische Mineralölriese Total mit Bohrungen beginnen. Der nordzyprische Präsident, Mustafa Akıncı, erwartet daher neue Spannungen.

Erinnerung an Enosis

Noch haben beide Seiten den Verhandlungstisch nicht verlassen, tatsächlich konnten sie in den vergangenen Monaten eine Krise abwenden. Die Republik Zypern wollte die Erinnerung an die Enosis der 1950er-Jahre – die griechische Inselbewegung, die eine Vereinigung mit Griechenland anstrebte – institutionalisieren. Damals fand ein Referendum statt, und über 95 Prozent der abgegebenen Stimmen waren für den Anschluss an Athen; allerdings konnten nur griechische Zyprioten an dem Plebiszit teilnehmen. Das Thema liegt derzeit auf Eis.

UN-Gesandter Eide warnt auch davor, dass die Verhandlungen für innenpolitische Zwecke ausgeschlachtet werden könnten. Der griechische Teil wählt im Februar nächsten Jahres einen neuen Präsidenten, der Wahlkampfmodus sei jetzt schon spürbar. Und dann ist natürlich die türkische Militärpräsenz ein Thema: Ankara besetzte gewaltsam den Nordteil der Insel im Jahr 1974. Der Abzug der türkischen Soldaten ist Teil der Friedensverhandlungen. Jüngst kündigte der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, aber an: Ein Rückzug aller Truppen komme nicht infrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2017)

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