Erdogan will Kampf gegen Feinde fortsetzen

Recep Tayyip Erdogan
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"Wir werden weiterhin gegen alle terroristischen Organisationen kämpfen", sagt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan anlässlich seiner Wahl zum Chef der Partei AKP.

Fünf Wochen nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei ist Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wieder zum Vorsitzenden der Regierungspartei AKP gewählt worden. Als einziger Kandidat für den Vorsitz kam Erdogan am Sonntag bei einem Sonderparteitag in der Hauptstadt Ankara auf mehr als 96 Prozent der Delegiertenstimmen, wie die AKP mitteilte.

Der AKP-Chefposten verschafft dem Staatspräsidenten noch mehr politischen Einfluss. Erdogan übte auf dem Parteitag Kritik an der EU. Er bekräftigte aber den Willen seines Landes, den Beitrittsprozess fortzusetzen.

Medienberichten zufolge will Erdogan nach seiner Rückkehr in den AKP-Vorsitz eine ganze Reihe Parteifunktionäre entlassen, die nicht seinen Erwartungen gerecht geworden waren.

AKP bisher von Säuberungen verschont

Bisher war die AKP von den tiefgreifenden "Säuberungen" verschont worden, bei denen seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli zehntausende mutmaßliche Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen aus dem Staatsdienst entlassen wurden. Erdogan macht Gülen für den Umsturzversuch verantwortlich. "Wir werden weiterhin gegen alle terroristischen Organisationen kämpfen", sagte Erdogan vor Tausenden jubelnden Anhängern.

Nach der Rückkehr Erdogans an die AKP-Spitze wird auch mit einer umfassenden Kabinettsumbildung gerechnet. Binali Yildirim soll voraussichtlich Regierungschef bleiben, doch dürften mehrere Minister ihre Posten verlieren. Die Verfassungsreform, mit der der Präsident auch Chef der Exekutive wird, soll erst nach der nächsten Wahl im November 2019 in Kraft treten.

Der türkische Politikexperte Aykan Erdemir sagte, der Parteivorsitz erlaube Erdogan, nun auch formal wieder die Führung der Partei zu übernehmen, die er de facto nie abgegeben habe. "Sobald er wieder der Parteiführer ist, wird er die formale Autorität haben, über die AKP-Wahllisten zu bestimmen", sagte Erdemir.

Damit könne er sowohl die Parteiführung als auch die Fraktion mit seinen Getreuen besetzen. So wie Erdogan seine Macht konsolidiere, werde der letzte verbleibende Raum für abweichende Meinungen in der Partei verschwinden, warnte der frühere Parlamentsabgeordnete, der heute für die Foundation for the Defence of Democracy arbeitet.

Vor allem werde Erdogan durch die Übernahme des Parteivorsitzes die Abgeordneten unter seine Kontrolle bringen, die eigentlich dazu da seien, die Exekutiv zu kontrollieren, sagte Erdemir. So könne er auch jeden Versuch blockieren, ihn als Präsidenten abzusetzen.

Erdogan hatte 2001 zu den Mitbegründern der islamisch-konservativen AKP gehört. Nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten im August 2014 musste er nach den damals gültigen Vorgaben der Verfassung aus der Partei austreten. Sein Sieg beim Verfassungsreferendum am 16. April ebnete ihm den Weg zur Rückkehr ins Parteiamt: Als eine der ersten Maßnahmen wurde das Verbot für den Präsidenten aufgehoben, einer Partei anzugehören. Mit dem Parteivorsitz bekommt Erdogan nun direkten Einfluss auf die Auswahl von Kandidaten der AKP und auf deren Abgeordnete im Parlament.

Erdogan sagte beim Sonderparteitag, der Beitrittsprozess zur EU sei "wegen der heuchlerischen Haltung der Union in einer Sackgasse gelandet. Dass man uns Bedingungen aufzwingt, die von keinem einzigen Kandidatenland gefordert wurden, und dass man für uns Regeln eingeführt hat, die für kein Kandidatenland angewandt wurden, zeigt offen die eigentliche Absicht."

Erdogan reist nach Brüssel

Erdogan fügte hinzu: "Trotz allem ziehen wir es vor, unseren Weg gemeinsam mit der Europäischen Union zu beschreiten. Die Europäische Union ist es, die hier eine Entscheidung treffen muss." Von einem von ihm zuvor mehrfach ins Spiel gebrachten Referendum über einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen sprach Erdogan am Sonntag nicht. Er betonte aber, es gebe für die Türkei Alternativen zur EU. Am Donnerstag kommt Erdogan in Brüssel mit den EU-Spitzen zusammen.

Erdogan erteilte Forderungen aus dem Westen nach einem Ende des Ausnahmezustands in der Türkei eine Absage. "Mit welchem Recht fragt ihr uns nach der Aufhebung des Ausnahmezustands? Er wird nicht aufgehoben. Bis wann? Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir Frieden und Wohlstand erlangt haben."

Zu dem Parteitag am Sonntag hatte die AKP nach eigenen Angaben rund 100.000 Besucher aus allen 81 Provinzen der Türkei erwartet. 1.565 Busse sollten die Teilnehmer nach Ankara bringen. Außerhalb der Ankara-Arena, in der der Parteitag stattfand, wurden Zelte und Bildschirme für die Besucher aufgebaut.

Erdogan hatte das Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems am 16. April mit 51,4 Prozent knapp gewonnen. Die Opposition hatte Wahlbetrug beklagt und erfolglos eine Annullierung der Volksabstimmung gefordert. Auch internationale Wahlbeobachter hatten dem Referendum Mängel attestiert.

Erdogan war am 2. Mai wieder der AKP beigetreten. Bis Sonntag stand Ministerpräsident Binali Yildirim an der Spitze der Partei, ein treuer Gefolgsmann Erdogans. In ihrer bis zum Referendum gültigen Form schrieb die Verfassung dem Präsidenten Neutralität vor.

(APA/dpa/AFP)

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