EU und Trump bleiben auf Konfliktkurs

Die beiden Donalds (Tusk und Trump) am roten Teppich.
Die beiden Donalds (Tusk und Trump) am roten Teppich.APA/AFP
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Die EU-Spitzen konnten sich bei einem Treffen mit dem US-Präsidenten in Sachen Klimawandel, Handel und Russland nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

Mit einem lässigen Schulterklopfer verabschiedete sich US-Präsident Donald Trump nach seinem ersten Treffen mit den EU-Spitzen in Brüssel. Doch die Unterredung mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte etwas länger gedauert als geplant. Wohl auch, da der US-Präsident und die EU-Granden in mehreren Fragen auf Konfliktkurs bleiben.

"Einige Fragen bleiben offen, wie Klima und Handel", sagte Tusk nach der Verabredung. Außerdem gebe es keine gemeinsame Linie zu Russland. Einigkeit bestehe im Kampf gegen den Terrorismus und im Ukraine-Konflikt. "Und ich bin nicht zu 100 Prozent sicher, dass wir heute sagen können, wir hätten eine gemeinsame Position zu Russland." In der Ukraine-Politik scheine man aber auf einer Linie zu sein.

Seine Hauptbotschaft an Trump sei gewesen, dass fundamentale westliche Werte wie Freiheit, Menschenrechte und der Respekt der Menschenwürde die tiefe Bedeutung der Kooperation und Freundschaft zwischen der EU und den USA ausmachten. Diese Werte müssten vor Interessen in der Politik stehen.

Trump fürchtet Brexit-Folgen

Auch der Brexit stand bei den Gesprächen am Tapet. Trump habe dabei die Sorge geäußert, dass im Zuge des EU-Austritts des Vereinigten Königreichs in den USA Arbeitsplätze verloren gehen könnten, erklärte ein EU-Vertreter am Donnerstag. Trump hatte den Brexit in der Vergangenheit mehrmals begrüßt und damit Verärgerung in der EU ausgelöst. Die US-Unternehmen haben dagegen mehrmals betont, dass sie den EU-Binnenmarkt schätzten, weil sie dank einheitlicher Regeln Aufwand und Kosten beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen in Europa sparten.

Zu Handelsfragen planen die EU und die USA nach Angaben der EU-Kommission einen Aktionsplan. Die EU kritisiert seit dem Amtsantritt Trumps dessen protektionistische Tendenzen. Dem jahrelang verhandelten Freihandelsabkommen zwischen beiden Seiten (TTIP) werden kaum noch Chancen auf Erfolg eingeräumt.

"Knallharte" Forderungen

Doch ein weiteres heikles Treffen steht am Donnerstag bevor: Zum ersten Mal wird Trump am Donnerstag auch an einem Gipfel der Nato teilnehmen. Der Amerikaner hatte das Militärbündnis lange als "obsolet" bezeichnet. Aber die europäischen Bündnisstaaten wissen, wie sie ihren Partner jenseits des Atlantik zufrieden stellen: Sie signalisierten unmittelbar vor dem Gipfel ihre Bereitschaft, sich wie vom US-Präsidenten gewünscht geschlossen gegen den internationalen Terrorismus zu engagieren.

Wo sich die Nato derzeit engagiert

Seit dem Ende der ISAF-Mission in Afghanistan sind NATO-Truppen nirgendwo mehr auf der Welt im Kampfeinsatz. Es gibt nur noch Ausbildungs-, Stabilisierungs- und Überwachungseinsätze. Die wichtigsten im Überblick:

AFGHANISTAN: Im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban leistet die NATO seit zwei Jahren nur noch indirekte Unterstützung. Bis zu 13.576 Soldaten aus Bündnisstaaten und Partnerländern bilden derzeit im Rahmen der "Resolute Support Mission" afghanische Sicherheitskräfte aus. Aus Österreich sind derzeit zehn Soldaten im Rahmen der RSM in Afghanistan stationiert.

KOSOVO: Die NATO-Sicherheitstruppe "Kosovo Force" (KFOR) wurde aufgestellt, um den Abzug der jugoslawischen Truppen und die Entmilitarisierung des Kosovo zu überwachen. Heute sind noch bis zu 4.500 Soldaten zur Friedenssicherung im Einsatz. Sie helfen unter anderem beim Aufbau kosovarischer Sicherheitstruppen. Hier ist Österreich mit 412 Bundesheer-Soldaten einer der größten Truppensteller.

MITTELMEER: NATO-Kräfte überwachen seit den Terroranschlägen im Jahr 2001 den Schiffsverkehr in ausgewählten Seegebieten. Zuletzt wurde die Operation "Sea Guardian" gestartet. Sie darf auch die EU bei der Eindämmung illegaler Migration aus Afrika unterstützen.

AIR POLICING: NATO-Staaten, die ihren eigenen Luftraum nicht ausreichend schützen können, werden bei Bedarf von Alliierten unterstützt. Zurzeit patrouillieren NATO-Jets beispielsweise im Luftraum über dem Baltikum.

ANTI-IS-KAMPF: Im vergangenen Oktober hat die NATO damit begonnen, die internationale Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit Aufklärungsflügen zu unterstützen. Vor dem Gipfeltreffen verständigten sich die Mitgliedsstaaten darauf, dass die Allianz offiziell dem Bündnis beitreten wird. Damit könnte die NATO künftig als Kooperationsplattform genutzt werden. Zudem sollen das Ausbildungsprogramm für irakische Soldaten und der Einsatz von AWACS-Flugzeugen der Allianz ausgeweitet werden.

Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag vor dem Spitzentreffen bestätigte, tritt die NATO der internationalen Allianz gegen die Terrororganisation IS bei. Der Beitritt zur Anti-IS-Koalition ist nach Darstellung von Stoltenberg mehr als nur ein symbolischer Schritt, sondern sende eine "starke politische Botschaft" der Geschlossenheit. Nur eine direkte Beteiligung an Kampfeinsätzen soll vorerst ausgeschlossen bleiben.

Der eigentliche Streitpunkt liegt jedoch woanders: Trump will die NATO-Partner auf höhere Verteidigungsaufgaben einschwören. Dies werde der Kern von Trumps Botschaft auf dem Gipfeltreffen der Militärallianz sein, kündigte US-Außenminister Rex Tillerson im Vorfeld an: "Ich denke, Sie können erwarten, dass der Präsident ihnen gegenüber knallhart sein wird."

Türkei-Deutschland-Konflikt könnte Schlagzeilen machen

Trump werde die Bündnispartner erneut an ihren Beschluss erinnern, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Militäraufgaben auszugeben, kündigte Tillerson an. Die USA gäben vier Prozent für diese Zwecke aus, der Präsident wolle eine gerechtere Lastenverteilung einfordern. Deutschland gibt lediglich etwa 1,2 Prozent des BIP für das Militär aus.

Bei dem Bündnis-Treffen könnte noch ein ganz anderer Konflikt Schlagzeilen machen - der deutsch-türkische Streit um Besuche von Bundestagsabgeordneten in der Türkei. Die Bundesregierung erwägt den Abzug von rund 260 Soldaten vom Stützpunkt Incirlik, die sich von dort aus mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen am Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen. Im Vorfeld des Gipfels ist ein bilaterales Treffen von Merkels und dem türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan geplant, um über den Incirlik-Streit zu reden.

Wegen der Besuchsverbote für Bundestagsabgeordnete auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik hat Merkel der Türkei mit dem Abzug der deutschen Soldaten gedroht. Sie werde im Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Rande des NATO-Gipfels "sehr deutlich machen", dass die Besuche "unabdingbar" seien, sagte Merkel am Donnerstag in Brüssel. "Ansonsten müssen wir Incirlik verlassen", betonte Merkel.

Erstes Treffen von Macron mit Erdogan und Trump

Der neue französische Staatspräsident Emmanuel Macron traf in Brüssel erstmals auf seine Amtskollegen aus der Türkei und den USA, Erdogan und Trump.

Bei Erdogan setzte sich Macron für den inhaftierten französischen Fotografen Mathias Depardon ein, hieß es am Donnerstag aus Élysée-Kreisen nach einem Treffen der beiden Politiker. Der Fotograf Depardon sei mittlerweile in einen Hungerstreik getreten, berichtet die Organisation "Reporter ohne Grenzen". In der Türkei sitzen auch Dutzende Journalisten im Gefängnis, darunter auch der deutsch-türkische "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel. Auf der diesjährigen Rangliste von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 155 von 180.

Über die künftige Zusammenarbeit mit US-Präsident Trump äußerte sich Macron zuversichtlich. Trump gratulierte dem neuen französischen Staatschef zu dessen Wahlsieg vor einigen Wochen. "Auf der ganzen Welt sprechen sie darüber", sagte Trump: "Glückwunsch. Großartige Arbeit."

Trumps Besuch ging auch mit erheblichen Protesten einher: Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace besetzten einen Baukran nahe der Unterkunft von US-Präsident Donald Trump in Brüssel. Sie hissten auf dem Kran in Sichtweite der US-Botschaft am Donnerstag ein Spruchband mit der Aufschrift "#Resist" (etwa: "Leistet Widerstand"). Die Organisation hatte auch an der friedlichen Demonstration gegen den Trump-Besuch teilgenommen, zu der sich am Mittwoch nach Polizeiangaben rund 9000 Menschen in der EU-Hauptstadt versammelt hatten.

(APA/dpa)

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