Trump in Brüssel: "Die Deutschen sind böse, sehr böse"

Donald trifft Donald: Donald Tusk (links), Präsident des Europäischen Rates, und US-Präsident Donald Trump vor ihrem ersten Treffen am Donnerstag in Brüssel.
Donald trifft Donald: Donald Tusk (links), Präsident des Europäischen Rates, und US-Präsident Donald Trump vor ihrem ersten Treffen am Donnerstag in Brüssel.(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Das erste Treffen der Europäer mit dem US-Präsidenten legte die neue transatlantische Kluft offen. Besonders drastisch soll er sich zu deutschen Handelsbilanz-Überschüssen geäußert haben.

Gut, herzlich, freundlich, warm, offen: Mit diesen Attributen beschrieben die Spitzen der Europäischen Union sowie der neue Präsident Frankreichs ihre ersten Begegnungen mit US-Präsident Donald Trump am Donnerstag in Brüssel. Trump, der während seines populistischen Wahlkampfes die Stadt Brüssel unter anderem als „Höllenloch“ bezeichnet hatte, leistete sich zumindest vor laufender Kamera keine Fehltritte - er hielt keine offizielle Pressekonferenz ab.

Doch einiges deutet darauf hin, dass das rund eineinhalbstündige Treffen von Jean-Claude Juncker und Donald Tusk, den Präsidenten der Kommission und des Europäischen Rates, eher transatlantische Differenzen offenlegte, als es Gemeinsamkeiten festigte. „Es ist mein Gefühl, dass wir in vielen Bereichen übereinstimmen, allen voran beim Kampf gegen den Terrorismus“, sagte Tusk nach dem Treffen. „Aber manche Themen bleiben offen, zum Beispiel Klimawandel und Handel. Ich bin mir nicht zu 100 Prozent sicher, dass wir heute sagen können, eine einheitliche Meinung über Russland zu haben.“

Die größte Aufgabe sei es, „die gesamte freie Welt“ rund um gemeinsame Werte wie Menschenrechte, Freiheit und den Respekt der menschlichen Würde zu einen – „und nicht nur Interessen“, erlaubte sich Tusk eine Spitze gegen die reichlich bekannte Sichtweise Trumps, wonach die Welt sich Amerikas Eigennutz zu fügen habe.

Trumps Sager wird zum Politikum

Die Europäer misstrauen somit dem Verständnis des amerikanischen Präsidenten dafür, dass die letztlich einzigen verlässlichen ideologischen Partner Amerikas in Europa sitzen und nicht in Moskau. Das ist eine Neuheit, und sie verheißt für das transatlantische Verhältnis für die verbleibenden bis zu siebeneinhalb Jahre, die Trump im Weißen Haus residieren könnte, wenig Gutes. Zumal steht die Befürchtung im Raum, dass Trump heute, Freitag, im Rahmen des Treffens der Führer der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) im sizilianischen Taormina den Rückzug der USA vom Pariser Klimaschutzabkommen verkünden wird.

In der Frage des transatlantischen Freihandels wiederum kündigte Kommissionspräsident Juncker an, man wolle eine europäisch-amerikanische Arbeitsgruppe damit beauftragen, Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. Doch die Frage eines Journalisten danach, ob das auf Eis liegende Handels- und Investitionsabkommen TTIP nun erweckt wird, ließ er unbeantwortet.

Auch der von Trump oft kritisierte Handelsbilanz-Überschuss Deutschlands soll einmal mehr Thema gewesen sein. "Die Deutschen sind böse, sehr böse", soll der US-Präsident Berlin kritisiert haben, berichten der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung".  "Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen. Fürchterlich. Wir werden das stoppen", zitiert der "Spiegel" Trump unter Berufung auf Teilnehmer des Treffens. Ähnliche Aussagen hatte Trump bereits früher öffentlich gemacht, jedoch in weniger drastischen Worten.

Juncker bezeichnete die Medienberichte am Freitag jedoch als übertrieben. Es habe "keine aggressiven Aussagen Trumps" zu den deutschen Überschüssen gegeben. Er wollte Meldungen über die "bösen Deutschen" nicht so stehen lassen. "Ich bin kein Spezialist in Englisch, wie man weiß. Aber 'bad' heißt nicht böse. Schlecht reicht ja", so der Kommissionspräsident zu den Trump-Aussagen.

Beim G-7-Gipfel in Taormina auf Sizilien bestätigte Gary Cohn am Freitag vor Reportern, dass in der Diskussion mit der EU-Spitze in Brüssel über den deutschen Handelsüberschuss mit den USA die Worte "very bad" über Deutschland gefallen seien. Laut Cohn sagte Trump: "Ich habe kein Problem mit Deutschland, ich habe ein Problem mit dem deutschen Handel."

Potemkinsches Nato-Treffen

Dabei hatten die Europäer keine Mühen gescheut, um Trumps ersten Amtsbesuch in Brüssel so annehmlich wie möglich für ihn zu gestalten. Die Arbeitsgespräche waren kurz, und der zweite Anlass seiner Anwesenheit in der europäischen Hauptstadt, nämlich die Tagung der Staats- und Regierungschefs der Nato, wurde auf potemkinsche Weise inszeniert. Das neue Hauptquartier ist zwar noch nicht bezugsbereit. Trump durfte dort dennoch eine Gedenkstelle für die Anschläge vom 11. September 2001 enthüllen und später mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel ein Stück der Berliner Mauer einweihen. Bei seiner Rede holte Trump dann aus und sagte: „Die Nato-Mitglieder müssen endlich ihren gerechten Anteil beitragen.“ Eine Anspielung auf die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, die die Mitglieder bis 2024 einzahlen sollen. Nur die wenigsten Länder, darunter die USA, erfüllen diese Quote. Daher würden die betroffenen Ländern den USA nun massiv Geld schulden.

Formell beschlossen die Mitgliedstaaten am Donnerstag bloß, dass die Nato sich an der Allianz gegen den Islamischen Staat beteiligt – aber ohne Teilnahme an Kampfoperationen. Auch diese Formalität war ein Zugeständnis an Trump, der die Nato einzig durch das Prisma des Kampfes gegen islamistischen Terrorismus zu sehen scheint. Die echten Probleme des Militärbündnisses schwelen weiter – allen voran der Streit zwischen Berlin und Ankara über die verweigerten Besuchsrechte von Bundestagsabgeordneten auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik, wo deutsche Soldaten Dienst versehen. Merkel droht mit dem Abzug – und hat in Brüssel auch mit dem türkischen Präsidenten darüber gesprochen.

Immerhin in einer Frage haben die Europäer nun Klarheit: Der selbst ernannte designierte US-Botschafter bei der EU, ein Herr namens Ted Malloch, ist bloß ein Hochstapler. State Departement und Weißes Haus erklärten nach monatelanger Funkstille, dass der vermeintliche Trump-Freund nie für den Posten in Frage gekommen sei.

Auf einen Blick

Donald Trump hatte bei seinem ersten Brüssel-Besuch als US-Präsident ein dichtes Programm. Am Vormittag traf er die EU-Spitze. Keine Annäherung gab es bei strittigen Themen wie Klimaschutz, Handel sowie dem Umgang mit Russland. Später traf Trump den französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, zum Mittagessen, bevor am Nachmittag der Nato-Gipfel stattfand. Das Bündnis kam den Forderungen des US-Präsidenten deutlich entgegen. Die Nato tritt nun auch der internationalen Allianz gegen die Terrororganisation IS bei. Zudem verpflichten sich die Nato-Mitgliedstaaten Pläne vorzulegen, wie sie ihre Verteidigungsausgaben erhöhen wollen. Am Freitag reist Trump zum G7-Gipfel nach Taormina weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2017)

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