Nach dem G-7-Gipfel zeigte sich die deutsche Kanzlerin ernüchtert über die transatlantischen Beziehungen: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen."
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich nach dem enttäuschenden G-7-Gipfel nicht mehr auf die USA als Partner verlassen. "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt", sagte Merkel am Sonntag in einer Bierzeltrede in München-Trudering.
"Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen." Merkel bezog sich mit ihren Worten auf die neue US-Regierung von Donald Trump, sie bezog aber auch den bevorstehenden Brexit Großbritanniens mit ein. Es müsse natürlich bei der Freundschaft zu den USA und Großbritannien bleiben. "Aber wir müssen wissen, wir müssen selber für unser Schicksal kämpfen." Dabei gab sie einem guten Verhältnis zu Frankreich unter dem neuen Präsidenten Emmanuel Macron eine besondere Bedeutung.
Trump überlegt Ausstieg aus Klimaschutzvertrag
Beim G-7-Gipfel in Italien hatten die Staats- und Regierungschef am Freitag und Samstag kaum Fortschritte erzielt. Die großen Industrienationen scheiterten mit dem Versuch, Trump ein Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzvertrag abzuringen. Eine endgültige Entscheidung dazu will er nächste Woche treffen. Gesichtswahrende Formulierungen fanden die G-7 in letzter Minute zum Thema Handel.
Nachdem Trump beim Gipfeltreffen auf Sizilien am Freitag und Samstag isoliert war, warnte die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks vor einem Sonderweg der USA. Trump selbst kündigte eine Entscheidung in den kommenden Tagen an.
Einem Medienbericht zufolge soll er Vertrauten aber bereits einen Ausstieg aus dem Abkommen angedeutet haben. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich angesichts der G-7-Erklärung gegen Protektionismus erleichtert: Dies dürfte auch die Vorbereitungen des G-20-Gipfels Anfang Juli in Hamburg unter deutscher Präsidentschaft erheblich erleichtern.
Der französische Präsident Emmanuel Macron zeigte sich überzeugt, dass Trump die Brisanz eines Ausstieges verstanden habe. Immerhin habe sich die US-Regierung vor wenigen Wochen noch klar gegen das Abkommen ausgesprochen. Er sei sicher, dass Trump pragmatisch sei, sagte Macron nach dem Abschluss des G-7-Treffens.
Rest der Welt "klar auf Zukunftskurs"
In deutschen Regierungskreisen war bereits vor dem Gipfel betont worden, dass man in Taormina nicht mit einem Einlenken Trumps rechne. Dieses müsse aber spätestens bis zum G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg erfolgen. "Hoffentlich trifft er die richtige Entscheidung für die Menschen in seinem Land", sagte Umweltministerin Hendricks der "Welt am Sonntag". Der Rest der Welt werde jedenfalls "klar auf Zukunftskurs bleiben". Ähnlich äußerte sich Agrarminister Christian Schmidt: "Es erfüllt mich mit großer Sorge, wenn die Weltklimapolitik durch innenpolitische Fehlinterpretationen in den USA gefährdet wird." Auch führende Ökonomen fordern von den G-20-Staaten mehr Engagement im Kampf gegen den Klimawandel.
Beim Thema Welthandel wurde in Taormina zwar eine gemeinsame Haltung aller G-7-Länder gefunden, aber auch dies gelang erst nach deutlichen Kontroversen mit der US-Regierung. Im Kommuniqué wird bekräftigt, die Märkte offen zu halten und Protektionismus zu bekämpfen. Die Staaten stellten sich jedoch gegen unfaire Handelspraktiken. Einigkeit demonstrierten die G-7-Länder auch gegenüber Russland - und drohten Moskau weitere Strafmaßnahmen im Ukraine-Konflikt an.
Wie schwierige die Gespräche der Staatschefs beim G-7-Gipfel verlaufen sind, sieht man auch daran: Die Gipfelerklärung von Taormina ist nur sechs Seiten lang, während die der vergangenen beiden G-7-Gipfel jeweils rund 30 Seiten zählten.
(APA/AFP)