Dutzende Tote und schwere Verwüstungen nach Anschlag in Kabul

REUTERS/Omar Sobhani
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Bei dem Autobombenattentat in der afghanischen Hauptstadt starben mindestens 80 Menschen, 350 wurden verletzt. Berlin sagte einen Abschiebeflug ab, Wien dagegen schickte am Mittwoch 17 Afghanen zurück in ihr Herkunftsland.

Bei einem schweren Bombenanschlag nahe der deutschen Botschaft in Kabul sind am Mittwoch mindestens 80 Menschen getötet worden. Die Zahl der Verletzten liege bei mehr als 350, sagte ein Vertreter der Gesundheitsbehörde. Ein Polizeisprecher sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Bombe sei zwar unweit des Zugangs zur deutschen Botschaft detoniert. Es gebe jedoch noch andere Vertretungen und den afghanischen Präsidentenpalast in der Umgebung. Daher sei das Ziel des Anschlags unklar.

Die Explosion fand zur Hauptverkehrszeit statt. Während die Polizei von einer Autobombe sprach, war in anderen Berichten von einem Sprengsatz in einem Wasser-Transporter die Rede. In einer Erklärung des Nato hieß es, die afghanischen Sicherheitskräfte hätten dem Fahrzeug den Zugang zur stark bewachten Grünen Zone verwehrt, in der viele Botschaften angesiedelt sind.

Bei dem Anschlag ist ein afghanischer Fahrer des britischen Senders BBC getötet worden. Darüber hinaus seien vier BBC-Journalisten verletzt worden, teilte der Sender am Mittwoch in London mit. Der Tod des Mitarbeiters erfülle den Sender mit "großer Traurigkeit". Der Familienvater habe die Journalisten gerade zum Büro gefahren. Auch ein afghanischer Wachmann der deutschen Botschaft in Kabul kam ums Leben.

Österreicher sind vom Anschlag nicht betroffen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Wien, Michael Bauer, auf APA-Anfrage. In Afghanistan sind derzeit zehn österreichische Bundesheer-Soldaten im Rahmen der geführten NATO-Mission (RSM) im Einsatz.

Taliban weisen Verantwortung zurück

Die ungewöhnlich starke Explosion ließ noch in mehreren hundert Metern Entfernung Fenster bersten und riss Türen aus den Angeln. Auf Videoaufnahmen waren eingestürzte Mauern, brennende Trümmer und zerstörte Autos zu sehen. Zu den Krankenhäusern wurden Leichen gebracht, die bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren. "Es fühlte sich an wie ein Erdbeben", sagte ein 21-jähriger Bankangestellter, der am Kopf verletzt wurde.

Nach Angaben der französischen Regierung wurden die deutsche und die französische Botschaften beschädigt. Am Gebäude der indischen Vertretung entstanden Botschafter Manpreet Vohra zufolge "beträchtliche Schäden". Auch die Türkei meldete, das Gebäude ihrer Botschaft sei beschädigt worden. In der japanischen Botschaft erlitten zwei Mitarbeiter Schnittwunden durch zerborstene Fensterscheiben.

Die radikal-islamischen Taliban wiesen die Verantwortung für den Anschlag zurück. Man verurteile derartige Angriffe, die Zivilisten töteten, hieß es in einer Erklärung. Die Taliban haben wie der Islamische Staat (IS) zuletzt vermehrt Anschläge in Afghanistan verübt. Dort hat die Gewalt seit dem Abzug der meisten internationalen Soldaten Ende 2014 zugenommen. Die Taliban kontrollieren oder haben Einfluss auf mehr als 40 Prozent des Landes, wie aus Schätzungen der USA hervorgeht.

In den USA wird deswegen über eine Aufstockung der Truppen in Afghanistan debattiert. Präsident Donald Trump soll in Kürze über den Vorschlag entscheiden, die etwas mehr als 10.000 Nato-Ausbilder und Anti-Terror-Einheiten um bis zu 5000 Soldaten zu ergänzen.

Wien schiebt Afghanen nach Kabul ab, Berlin nicht

Die deutsche Regierung hat wegen des Anschlags einen für den Abend geplanten Abschiebeflug nach Afghanistan abgesagt. Österreich dagegen führte laut Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck am Mittwoch 17 Afghanen zurück. Es handelte sich um eine Rückführungsaktion mit Schweden unter der Koordination der EU-Grenzschutzagentur Frontex, wie Grundböck, der "Presse" mitteilte. Er wies darauf hin, dass Deutschland die Abschiebungen aus organisatorischen Gründen abgesagt habe.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Mittwoch in einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestags mitgeteilt, den Rückführungsflug zunächst abgesagt zu haben. Die Absage erfolgte demnach allerdings "nur für heute" und aus "Rücksicht auf Botschaftsangehörige". Die Mitarbeiter der Auslandsvertretung seien mit der Schadensaufnahme befasst und könnten sich daher nicht um die Ankunft des Abschiebefliegers am Kabuler Flughafen kümmern, hieß es.

Bisher hat Deutschland in fünf Sammelflügen 106 abgelehnte Asylwerber nach Afghanistan abgeschoben. Die deutsche Regierung rechtfertigt Abschiebungen nach Afghanistan bisher damit, dass es dort "sichere Gebiete" gebe, in denen die Betroffenen unterkommen könnten. Dazu gehört offensichtlich auch die Hauptstadt Kabul, wo sich nun der Anschlag ereignete.

(APA/AFP/dpa/Reuters/duö)

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