Iran: IS-Anschlag auf die Schutzmacht der Schiiten

Der Terror erreicht Teheran: Ein Bub wird am Mittwoch aus dem iranischen Parlamentsgebäude gerettet.
Der Terror erreicht Teheran: Ein Bub wird am Mittwoch aus dem iranischen Parlamentsgebäude gerettet.(c) APA/AFP/FARS NEWS/OMID VAHABZADE
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Die sunnitische Terrormiliz hatte in der Vergangenheit bereits mit Attentaten in dem mehrheitlich schiitischen Land gedroht. Mindestens zwölf Menschen starben bei den Angriffen. Die Attentäter waren nach Angaben der Regierung Iraner.

Kairo/Teheran. Schüsse hallten durch die morgendlichen Straßen Teherans, Menschen kauerten zum Schutz hinter Alleebäumen. Die Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten im Nahen Osten erfuhr gestern eine Eskalation, als sunnitische Terroristen in einer Kommandoaktion das Parlament im Herzen Teherans und das Mausoleum von Staatsgründer Ayatollah Khomeini im Süden der Hauptstadt unter Feuer nahmen.

Nach Angaben der Behörden töteten sie bei dem Doppelattentat mindestens zwölf Menschen und verletzten über 40. Einige der Attentäter, darunter eine Frau, sprengten sich in die Luft, andere schossen mit Kalaschnikows und Pistolen um sich. In dem weiträumigen Parlamentskomplex gelang es der Polizei erst am Mittag, die vier Angreifer des ersten Kommandos aufzuspüren und auszuschalten. Die Abgeordneten schlossen sich zum Zeitpunkt des Dramas im Plenarsaal ein, unterbrachen jedoch ihre Sitzung nicht.

Parlamentspräsident Ali Larijani reagierte demonstrativ gelassen, nannte den Angriff „eine triviale Angelegenheit“, die in die Kompetenz der Polizei falle. Parallel dazu stürmte eine zweite Gruppe von Attentätern auf das weiträumige Gelände der Khomeini-Gedenkstätte und erschoss wahllos Umstehende, darunter Gärtner. Auch hier dauerten die Gefechte zwischen den Terroristen und der Polizei nach Angaben der Nachrichtenagentur Ilna mehr als eine Stunde.

Angriff auf Khomeini-Grab

Die Selbstmordattentäter waren nach Angaben der Regierung Iraner. Sie hätten sich der Extremistenmiliz IS angeschlossen, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats, Reza Seifollhai, am Mittwoch im staatlichen Fernsehen. Der Islamische Staat reklamierte die Bluttat für sich, es war der erste Anschlag der sunnitischen Terrormiliz auf dem Staatsgebiet der schiitischen Vormacht im Nahen Osten. „Kämpfer des Islamischen Staates griffen das Khomeini-Mausoleum und das Parlamentsgebäude in Teheran an“, hieß es in einer Erklärung auf der IS-Website Amaq, die sich den Anstrich einer Nachrichtenagentur gibt. Das iranische Geheimdienstministerium erklärte, man habe ein drittes Kommando neutralisiert, bevor es seine Terrorpläne ausführen konnte.

Auf Fotos im Internet war im Fenster eines Parlamentsbüros einer der Angreifer mit einer Kalaschnikow zu sehen, der zu diesem Zeitpunkt offenbar eine Geisel in seiner Gewalt hatte. Andere Bilder zeigten Sicherheitskräfte, die Angestellten über die Außenmauern ins Freie halfen.

Die genauen Hintergründe der beiden Bluttaten liegen noch im Dunkeln. Doch der IS hatte im März zum ersten Mal auch der Islamischen Republik explizit Terroranschläge angedroht. Man werde den Iran „erobern und ihn wieder zu einer sunnitischen Nation machen“, hieß es in der Audiobotschaft. Im syrischen Bürgerkrieg kämpfen iranische Revolutionäre Garden und schiitische Milizen an der Seite des Regimes von Bashar al-Assad gegen die Aufständischen, unter denen sunnitische Extremisten eine immer zentralere Rolle spielen. Im Irak beteiligen sich die iranhörigen Paramilitärs aktuell etwa an der Rückeroberung der nördlichen Metropole Mosul, wo der IS kurz vor der militärischen Niederlage steht.

1500 mutmaßliche Söldner

Aber auch im Inneren Irans gab es in den vergangenen Jahren Terrortaten sunnitischer Radikaler, von denen viele mit dem IS sympathisieren. So räumte Geheimdienstminister Mahmoud Alavi ein, sein Land habe bisher rund 1500 junge Männer an der Ausreise in das IS-Gebiet gehindert. Im Mai flammten nach einer langen Phase der Ruhe auch die Gefechte mit kurdischen Separatisten im Westen des Landes wieder auf. Zwei Soldaten starben, drei wurden schwer verletzt.

Im Südosten an der Grenze zu Pakistan gärt es vor allem in der Provinz Sistan und Baluchestan, dessen sunnitische Bevölkerung sich von Teheran diskriminiert und vernachlässigt fühlt. Die dort operierende Terrororganisation Jaish-ul Adl, die sich zu al-Qaida rechnet, erschoss im April gleich zehn iranische Grenzpolizisten.

Der IS-Doppelanschlag in Teheran fällt in eine Phase höchster Spannungen zwischen den beiden regionalen Erzrivalen Iran und Saudiarabien. Iran fühlt sich als globale Schutzmacht der Schiiten, Saudiarabien mit Mekka und Medina als sunnitische Vormacht.

AUF EINEN BLICK

Die iranische Hauptstadt Teheranwurde am Mittwoch Ziel einer Serie von Anschlägen. Bei den offenbar koordinierten Angriffen auf das Parlament im Zentrum von Teheran und das Mausoleum von Ayatollah Khomeini südlich der Stadt wurden zwölf Menschen getötet, drei Attentäter sprengten sich in die Luft. Die radikal-islamische IS-Miliz reklamierte die Attentate für sich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2017)

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