Bericht: US-Angriff in Syrien traf doch Terroristen, nicht Zivilisten

Trümmerberge nach dem Luftangriff auf das Gebäude im Dorf Al-Jineh Mitte März
Trümmerberge nach dem Luftangriff auf das Gebäude im Dorf Al-Jineh Mitte MärzAPA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
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Das Bombardement einer Moschee nahe Aleppo im März soll laut Menschenrechtlern Dutzende Zivilisten getötet haben. Die Untersuchung des US-Militärs indes hält fest: Es habe sich um keine Moschee gehandelt, die Opfer seien Al-Kaida-Leute gewesen.

Ein Bombardement amerikanischer Kampfflugzeuge und Drohnen auf ein Gebäude in der syrischen Provinz Aleppo, bei dem Mitte März Dutzende Zivilisten ums Leben gekommen sein sollen, hat angeblich doch praktisch keine zivilen Opfer gefordert, dafür hohe Verluste unter Militanten verursacht - das besagt der Abschlussbericht einer Untersuchungskommission des US Central Command in Tampa (Florida), der dieser Tage veröffentlicht wurde.

Der Angriff auf ein Gebäude im Dorf Al-Jineh habe vielmehr Dutzende Mitglieder der Terrorvereinigung Al-Kaida getötet, aber nur einen Zivilisten, sagte Brigadegeneral Paul Bontrager, Vizekommandeur für Operationen bei CENTCOM und Leiter der Kommission. Genau wegen dieser Versammlung, von der man gewusst habe, sei der Luftangriff auch erfolgt. Dabei wurden F-15-Jagdbomber und eine MQ-9 "Reaper"-Drohne eingesetzt.

Menschenrechtsorganisationen inklusive der sogenannten "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" in London, die ihrerseits hinsichtlich Glaubwürdigkeit alles andere als unumstritten ist, hatten nach dem Bombardement behauptet, dass 46, ja 49 und bis mehr als 50 Unschuldige umgekommen seien. Die NGO "Human Rights Watch" meinte, die US-Streitkräfte hätten es "anscheinend versäumt, die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um zivile Opfer zu vermeiden".

Laut den Kritikern und Quellen vor Ort sei eine Moschee bombardiert worden. Das Pentagon erklärte hingegen schon seinerzeit, man habe ein Haus nahe einer Moschee getroffen. Dieses habe auch keinerlei Anzeichen einer Moschee, etwa ein Minarett oder eine Kuppel, aufgewiesen.

"War mit Sicherheit ein Al-Kaida-Treffen"

General Bontrager betonte nun, so berichtet das US-Magazin "MilitaryTimes", dass die formelle Untersuchung, in die man NGOs einbezogen habe, "null glaubwürdige Beweise" dafür erbracht hätten, dass die Informationen, wegen derer man den Angriff beschlossen hatte, falsch gewesen seien. "Wir wissen mit Sicherheit, dass in dem Gebäude ein Al-Kaida-Treffen stattgefunden hat."

Die Informationen darüber habe man am 14. März im Vorfeld erhalten; es würden dann neben Leuten der Al-Kaida auch solche von anderen islamistischen Gruppen anwesend sein. Weitere Informationen aus anderen Quellen hätten am 15. März die Vermutung bestätigt.

Als man am Nachmittag des 16. März durch eine Kombination aus Spionageinformationen von vor Ort, Luftaufklärern und elektronischer Abhörung bemerkt habe, dass sich das Treffen in Al-Jineh gerade anbahne, sei der Angriff rasch und den komplizierten Prozeduren gemäß eingeleitet worden. Dabei habe man den eventuell drohenden "Kollateralschaden" auch als hinnehmbar bewertet.

Letztlich steuerten F-15 zehn lasergesteuerte Bomben auf das Gebäude. Von einer "Reaper"-Drohne (Reaper bedeutet Sensenmann) wurden noch zwei Raketen ferngesteuert abgefeuert, als ein nicht näher genanntes Ziel (wohl eine Person) vom Gelände entweichen wollte.

Selbstkritik: Möglicherweise Religionsschule zerstört

Die Opferzahl gab der General auch niedriger an als von den Kritikern behauptet, nämlich mit "zwei Dutzend". Umliegende Gebäude seien leicht beschädigt worden und das Zielobjekt sei sicher keine Moschee gewesen. Möglicherweise aber doch eine islamische Schule, wie Bontrager einräumte. Die angeblich zerstörte Omar-Al-Kitab-Moschee stehe jedenfalls immer noch neben dem Ort des Beschusses.

Die nachträgliche Untersuchung der filmischen Aufzeichnungen (etwa durch die Zielkameras) habe ergeben, dass sich eine "kleine Person" in Begleitung einer deutlich größeren auf das Gelände begeben habe. Es könne sich daher durchaus um ein Kind gehandelt haben, das durch die Explosionen dann "zumindest verletzt" worden sei.

Bild aus einem Video von einem Flugzeugs oder einer Drohne nach dem Angriff: In der Mitte die Trümmer des Zielgebäudes, links laut Pentagon die weitgehend unversehrte Moschee, rechts womöglich eine Islamschule.
Bild aus einem Video von einem Flugzeugs oder einer Drohne nach dem Angriff: In der Mitte die Trümmer des Zielgebäudes, links laut Pentagon die weitgehend unversehrte Moschee, rechts womöglich eine Islamschule.UD DoD

Allerdings räumte Bontrager ein, dass es aus verschiedenen Gründen, die bereits im langen Vorfeld der Militäraktion zu suchen seien, einen Fehler gegeben habe: Man habe nicht den religiösen Zweck des gesamten Gebäudekomplexes auch abseits der Moschee erkannt. Sonst wären die Gebäude auf einer "no-strike-list" schutzpflichtiger Objekte gestanden.

Geschützte Ziele verlieren Schutz bei Missbrauch

Allerdings: "Wenn etwas auf der no-strike-list steht, gewährt das keinen absoluten Schutz. Wenn etwa ein religiös genütztes Haus vom Gegner für militärische Zwecke missbraucht wird, kann es sehr wohl ins Visier genommen werden." Tatsächlich verlieren viele nach Kriegsvölkerrecht geschützte Objekte, etwa Stätten des Kulturerbes und solche von religiöser Bedeutung, ihren Schutz vor Angriffen, wenn die gegnerische Partei sie für militärische Zwecke nützt.

(wg)

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