Macrons Triumph mit Obergrenze

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FRANCE2017-VOTE-LEGISLATIVEAPA/AFP/PHILIPPE HUGUEN
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Bei den Stichwahlen für das neue französische Parlament erreichte die Partei von Präsident Macron eine klare Mehrheit. Sie fiel weniger erdrückend aus als gedacht. Die Wahlbeteiligung sank jedoch auf 43 Prozent.

Paris. Die französischen Wähler und Wählerinnen wollten eine regierungsfähige Mehrheit für Präsident Emmanuel Macron, aber lieber doch nicht eine allzu massive Vorherrschaft in der Nationalversammlung. Bei den Stichwahlen am Sonntag hat die Regierungsmehrheit, bestehend aus Macrons „La République en marche“ (REM) und dem zentrumsdemokratische Koalitionspartner MoDem, laut ersten Hochrechnungen 355 der 577 Sitze errungen. Die REM hat davon alleine 311 Mandate, das heißt mehr als die für ein absolutes Mehr erforderlichen 289.

Dennoch liegt diese Ausbeute von REM-MoDem klar unter dem seit Tagen angekündigten Erdrutsch mit 450 Mandaten oder mehr, den die Umfrageinstitute nach dem ersten Wahlgang prophezeit hatten. Für alle anderen Parteien sehen im Gegenzug ihre Niederlagen sofort etwas weniger dramatisch aus. Das bürgerlich-konservative Lager von LR-UDI kommt schätzungsweise immerhin noch auf 125 Sitze und die Sozialisten mit ihren Verbündeten auf 49, die linke Bewegung „La France insoumise“ (Die Unbeugsamen) von Jean-Luc Mélenchon auf 19 und die Kommunisten (PCF) auf elf, während der Front National von Marine Le Pen, die selber erstmals ins nationale Parlament einzieht, insgesamt acht Abgeordnete haben könnte. Auf diverse andere (Regionalisten oder Autonomisten in Übersee) entfallen zehn Sitze.

Keine krasse Übermacht

Das herausragende Merkmal ist es, dass das Stimmvolk bei den Stichwahlen die Tendenz ganz offensichtlich korrigieren wollte, um der zukünftigen Regierungsmehrheit keine krasse Übermacht zu geben. In der Opposition gibt es jedoch keinen großen Block, sondern mehrere Gruppen, die je die Fraktionsstärke (mindestens 15 Mandate) erlangen. Des Weiteren sticht die historisch tiefe Wahlbeteiligung von etwa 43 Prozent ins Auge.

„Wozu nochmals wählen gehen, wenn ohnehin schon alles entschieden ist und das Ergebnis im Voraus feststeht...“ – So oder ähnlich tönten die Entschuldigungen sehr vieler Wahlberechtigten, die es beim vierten kurz aufeinanderfolgenden Wahltag nicht für notwendig gehalten haben, persönlich ihre Stimme abzugeben. Wie dies aufgrund der Ausgangslage zu erwarten gewesen war, sank der Anteil der Wählenden mit deutlich weniger als der Hälfte der Stimmberechtigten auf einen historischen Tiefpunkt.

Das sonnige Sommerwetter in weiten Landesteilen förderte nicht unbedingt die Erfüllung der demokratischen Bürgerpflicht. Es war am Ende fast erstaunlich, dass immerhin noch mehr als 40 Prozent der Eingeschriebenen wählen gingen. Gültig ist das Resultat abgesehen davon ohnehin, und die neue Mehrheit zugunsten von Emmanuel Macron kann ihre gesetzgeberische Legitimität damit begründen.

Herbe Niederlage für die Sozialisten

Die Sozialisten, die in den vergangenen fünf Jahren unter Präsident François Hollande regiert hatten, müssen eine verheerende Niederlage einstecken. Nach dem Bekanntwerden der Resultate hat Parteichef Jean-Christophe Cambadélis seinen Rücktritt angekündigt. Die Konservativen (LR-UDI) haben dagegen ihre Schlappe in Grenzen halten können. Beide früheren Regierungsparteien verlieren aber ganz massiv Sitze und sind in der Frage der Zusammenarbeit mit der Regierung intern gespalten.

Für die Regierung dagegen stellt sich wegen der hohen Sitzzahl ein Problem: Die überwiegende Zahl ihrer Neulinge im Parlament hat keinerlei Erfahrung mit den Prozeduren und Gebräuchen der Nationalversammlung. Das kann unter anderem zu Pannen und peinlichen Disziplinverstößen führen. Die erste Aufgabe der riesigen REM-Fraktion wird darum darin bestehen, diese Anfänger bei einem zweitägigen Einführungsseminar am kommenden Wochenende für ihre Rolle anzulernen.

Bewährungstest für Neoabgeordnete

Ihr erster Bewährungstest wird am 4. Juli die Regierungserklärung von Premierminister Edouard Philippe mit anschließendem Votum sein. Danach sollen sie in einer bis Mitte August verlängerten Sondersession das Eiltempo der Staatsführung halten, die nach einer Abstimmung über eine Vorlage zur „Moralisierung der Politik“, die eine stärkere Kontrolle von Politikern vorsieht, auch ihre umfassenden Arbeitsmarktreformen noch während des Sommers im Dringlichkeitsverfahren verabschiedet haben möchte.

Auf einen Blick

Am Sonntag fand in Frankreich die zweite und entscheidende Runde der Parlamentswahl. Sie endete mit einem eindeutigen Triumph für die politische Kraft des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Dessen sozialliberale Partei „La République en Marche“ gewann zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem 355 der 577 Abgeordnetenmandate. Das liegt weit über den für eine absolute Mehrheit notwendigen 289 Sitzen.
Bereits in der ersten Wahlrunde vor einer Woche hatte sich ein haushoher Sieg der Partei von Präsident Emmanuel Macron abgezeichnet. Getrübt wurde das starke Votum für Macron allerdings durch eine geringe Wahlbeteiligung. Sie lag bei nur 43 Prozent.

(APA)

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