Großbritannien/EU: „Briten wollen nicht ärmer werden“

Der britische Schatzkanzler Philip Hammond.
Der britische Schatzkanzler Philip Hammond.(c) APA/AFP/NIKLAS HALLE´N
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Schatzkanzler Hammond fordert wirtschaftsfreundlichen Brexit.

London. Der britische Schatzkanzler Philip Hammond hat sich klar gegen die Position seiner Premierministerin Theresa May „No deal is better than a bad deal“ gestellt. In einer Grundsatzrede zum bevorstehenden EU-Austritt Großbritanniens sagte Hammond am gestrigen Dienstag in London: „Die Briten haben nicht dafür gestimmt, ärmer zu werden oder in größerer Unsicherheit zu leben.“ Vielmehr müsse der Austritt aus der EU so geregelt werden, dass „es für Großbritannien in Ordnung ist. Alles andere wäre ein Versagen unserseits gegenüber dem klaren Auftrag des britischen Wählers.“

Zu einer ordentlichen Scheidung von Europa würden nach Ansicht Hammonds auch „gegenseitig vorteilhafte Übergangsfristen“ gehören, mit denen sichergestellt werden soll, dass „unsere Wirtschaft nicht abstürzt“. Einen Tag nach Beginn der Brexit-Verhandlungen in Brüssel und einen Tag vor der heutigen Regierungserklärung von Premierministerin May, die im neuen Unterhaus über keine Mehrheit verfügt, zeigte sich Hammond „zuversichtlich, dass wir eine Vereinbarung finden können, die Arbeitsplätze und Wohlstand an erste Stelle rückt“. Eine Verhandlungslösung würde von der Wirtschaft mit „einem hörbaren Seufzer der Erleichterung“ aufgenommen werden, sagte Hammond.

May wird im Unterhaus auf die Unterstützung der nordirischen Unionspartei DUP angewiesen sein. Tories und Unionisten wollen sich im Laufe der Woche auf die Modalitäten der Zusammenarbeit verständigen.

Warnung vor Illusionen

Wie viel für Großbritannien auf dem Spiel steht, rief den Zuhörern der traditionellen „Mansion House Speech“ der Gouverneur der Bank of England eindringlich ins Bewusstsein. „Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals könnten schon bald gezwungen sein, auf ihre Notfallpläne zurückzugreifen“, wenn die Folgen des Brexit spürbar werden, warnte Mark Carney. Als erstes würden die Konsequenzen wohl die Arbeitnehmer erleben: „Es ist wahrscheinlich, dass ein schwächeres Wachstum der Einkommen in dem kommenden Anpassungsprozess unvermeidlich sein wird.“ Angesichts trüber Aussichten warnte der Notenbankchef vor Illusionen: „Wir werden bald herausfinden, ob der Brexit ein gemütlicher Spaziergang in ein Land von Kuchen und Konsum ist.“

Noch eindringlicher äußerte sich gestern der Investor George Soros: „Die Stunde der Wahrheit rückt näher“, schrieb er in einem Aufsatz. „Die Wahrheit ist, dass der Brexit eine Situation ist, in der alle nur verlieren können: Er schadet Großbritannien und der EU.“ Soros, der 1992 mit Spekulationen das Pfund aus dem Europäischen Wechselkursmechanismus gedrängt und dabei Milliarden gemacht, hatte, schloss daher auch einen „Exit vom Brexit“ nicht aus: „Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Aber Menschen können ihre Meinung ändern.“ (gar)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2017)

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